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Oldenburg Tödliche Polizeischüsse - Ermittler prüfen Videoaufnahmen

Es gibt Videoaufnahmen, Handydaten und Zeugenaussagen - die Ermittler versuchen, die tödlichen Polizeischüsse auf einen 21-Jährigen in Oldenburg aufzuklären. Wie ist der aktuelle Stand?

Von Mirjam Uhrich und Helen Hoffmann, dpa Aktualisiert: 24.04.2025, 20:43
Die Ermittlungen nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 21-Jährigen laufen. Die Anteilnahme und Trauer in Oldenburg ist groß.
Die Ermittlungen nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 21-Jährigen laufen. Die Anteilnahme und Trauer in Oldenburg ist groß. Sina Schuldt/dpa

Oldenburg - Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 21-Jährigen in Oldenburg werten die Ermittler Video- und Audioaufnahmen aus. Das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ darüber berichtet. Demnach ist das Geschehen auf den Aufzeichnungen aber nur schemenhaft zu erkennen. 

Die Beamten prüfen zudem das sichergestellte Mobiltelefon des Polizisten, der geschossen hat. Auch der polizeiliche Funkverkehr aus der Nacht werde ausgewertet, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Aufnahmen der Bodycams der Polizisten, die bei dem Einsatz dabei waren, stehen demnach nicht zur Verfügung. Die Geräte seien nicht eingeschaltet gewesen, hieß es. 

Polizei sucht Zeugen 

Die Staatsanwaltschaft bittet die Bevölkerung um Mithilfe. Wer Hinweise zu den Geschehnissen in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Oldenburger Innenstadt machen kann, solle sich bei der Polizei Delmenhorst melden. Ziel sei eine lückenlose Aufklärung. 

Nach den bisherigen Ermittlungen schoss ein 27-jähriger Polizist am Ostersonntag gegen 2.40 Uhr auf den 21-Jährigen und verletzte ihn tödlich. Der junge Mann war zuvor nach einer Auseinandersetzung vor einer Diskothek durch die Innenstadt geflohen. Einige Personen verfolgten ihn, worauf der 21-Jährige ihnen unter Vorhalt eines Messers gedroht haben soll. Der Staatsanwaltschaft zufolge steckte er das Messer anschließend wieder ein und lief davon. 

Polizist schoss fünfmal auf den jungen Mann

Er traf auf Einsatzkräfte der Polizei und sprühte mit Reizstoff. Dann schoss ein 27-jähriger Polizeibeamter fünfmal in Richtung des 21-Jährigen und traf ihn mindestens dreimal von hinten in Oberkörper, Hüfte und Kopf. Ein vierter Schuss soll den Oberschenkel gestreift haben. Der junge Deutsche erlitt lebensgefährliche Verletzungen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Das Messer, mit dem der Mann seine Verfolger bedroht haben soll, wurde sichergestellt. Hinweise, dass er vor den tödlichen Schüssen damit auch Polizisten bedrohte, gebe es derzeit nicht, so die Staatsanwaltschaft. 

Bündnis befürchtet rassistischen Hintergrund

Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen. Für diesen Freitagabend hat das Bündnis „Gerechtigkeit für Lorenz“ zu einer Kundgebung in Oldenburg aufgerufen. „Wir fordern lückenlose Aufklärung“, teilte das Bündnis in einer Pressemitteilung mit. Die Initiative befürchtet, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen rassistischen Hintergrund haben könnten. „Besonders für Schwarze Menschen ist das Vertrauen in die Polizei seit Jahren massiv erschüttert. Dieser Fall trifft nicht nur die Familie – er trifft eine ganze Community, eine ganze Stadt“, hieß es in der Mitteilung. 

Das Bündnis forderte eine lückenlose Aufklärung. „Es darf keine Vertuschung, keine Bagatellisierung und kein Schweigen geben. Wir wollen wissen, was genau in jener Nacht passiert ist – und warum ein junger Mensch sterben musste.“ Das Bündnis forderte eine unabhängige Untersuchung des Einsatzes und strukturelle Veränderungen. „Es reicht nicht, auf interne Ermittlungen zu vertrauen. Zu oft wurden Fälle wie dieser unter den Teppich gekehrt – das darf nicht wieder passieren“, schrieb das Bündnis. 

Kriminologe kritisiert Ermittlungen durch benachbarte Dienststelle 

Der Professor für Kriminologie und Strafrecht von der Goethe-Universität Frankfurt, Tobias Singelnstein, kritisierte die internen Ermittlungen der niedersächsischen Polizei. „Ermittlungen durch die benachbarte Dienststelle ist das schlechteste Modell, was wir in Deutschland haben“, sagte der Kriminologe der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt Bundesländer, die einen Schritt weiter sind und spezialisierte Dienststellen geschaffen haben, die beim Landeskriminalamt angesiedelt sind oder sogar ganz selbstständig sind.“

Der 27-jährige Beamte wurde vorläufig suspendiert - das ist in solchen Fällen üblich. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Totschlags, das von der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführt wird. Auch das ist Standard. Die Ermittlungen übernimmt die Polizei Delmenhorst.