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Tierhebamme Tierhebamme: Ultraschall für Bulldoggen

Von petra Pluwatsch 20.04.2013, 16:26
Mit einem mobilen Ultraschallgerät macht Monika Feldbusch Hausbesuche und untersucht schwangere Vierbeiner.
Mit einem mobilen Ultraschallgerät macht Monika Feldbusch Hausbesuche und untersucht schwangere Vierbeiner. Petra Pluwatsch Lizenz

Halle/MZ - Nelly atmet schnaufend durch die Nase. Ihr Bauch mit den feinen, hellbraunen Härchen ist gespannt, die rosa Zitzen treten deutlich hervor und sehen aus wie zwei Reihen kleiner Knöpfe. „Ganz ruhig, meine Süße“, sagt Sandra Hofman-Schneider und streichelt Nellys Stirn. Krault ihr die spitz zulaufenden Ohren, die zuckenden Vorderpfoten und den Hals mit den Speckröllchen.

„Alles wird gut“, brummt Monika Feldbusch und dreht Nelly auf den Rücken. Behutsam reibt sie den Bauch der trächtigen Hündin mit einem handwarmen Gel ein. Vor ihr, auf dem Wohnzimmertisch, steht mit flackerndem Bildschirm ein tragbares Ultraschallgerät. Unter dem Tisch nagt Kater Pancho an einem Kabel.

Es ist Feldbuschs zweiter Hausbesuch bei Sandra Hofman-Schneider, einer Hobbyzüchterin aus Duisburg. Seit zwei Monaten arbeitet die 48 Jahre alte Krefelderin als Deutschlands einzige freiberufliche Tierhebamme. „Mobil. Individuell. Kompetent“ steht auf einem Schild mit aufgemaltem Klapperstorch im Heckfenster ihres Autos, mit dem sie bis zu sechs Tage in der Woche über Land fährt. Die ehemalige Tierzüchterin betreut Hündinnen, Katzen und gelegentlich auch Stuten, die Nachwuchs erwarten oder Probleme haben, schwanger zu werden. Ihr Aktionsradius: rund 60 Kilometer rund um Krefeld. Ihre Ausstattung dabei: ein nagelneues mobiles Ultraschallgerät für mehrere 1 000 Euro. Feldbusch niest kräftig und greift zum Taschentuch. Kürzlich hatte sie einen Außendreh mit einem lokalen Fernsehsender. Kalt war es und windig. Seitdem ist sie krank, doch Klappern gehört zum Handwerk. Die Geschäfte laufen gerade erst an.

„Die wenigsten Tiere kommen gern in eine Tierarztpraxis, erst recht nicht, wenn sie trächtig sind“, erläutert sie ihr Geschäftsmodell. „Dann beginnen sie sich auch psychisch zu verändern, werden ängstlich und anhänglich. Je mehr Stress sie haben, desto größer ist die Gefahr für den Nachwuchs. Also gehe ich zu ihnen nach Hause. Da haben sie ihre Schlafdecke, ihr Knuddelsofa und fühlen sich wohl.“

Den Tierarzt jedoch könne sie im Notfall nicht ersetzen. „Ich berate die Leute und stehe ihnen bei, wenn sie Hilfe brauchen“, stellt sie klar. Sie darf die Tiere weder impfen noch ihnen Medikamente verschreiben. „Dafür bin ich nicht ausgebildet.“ Dafür stellt Feldbusch jeder ihrer „Patientinnen“ einen Schwangerschaftspass aus, in dem die Zahl der Untersuchungen, Gewichtszunahme und Temperatur des Tieres verzeichnet werden. Und auf Wunsch erhalten die Besitzer eine Videoaufnahme der Ultraschalluntersuchung. 45 Euro kostet die All-inclusive-Versorgung pro Besuch, 40 ohne Videoaufnahme und „Mutterpass“.

Die Welpen bekommen sofort nach der Geburt einen Welpenpass, „damit die Welpenkäufer was in der Hand haben“. Darin kann eingetragen werden, wann das Tier zum ersten Mal die Augen geöffnet, wann es sich aus der Wurfkiste herausgetraut und seine erste „Beifütterung“ verschlungen hat. Feldbuschs Kunden sind in der Regel private Hunde- und Katzenbesitzer und Tierzüchter mit nur einigen wenigen Tieren wie Sandra Hofman-Schneider. „Denen verrate ich auch schon mal ein paar Tricks, wenn die Welpen zu viel Blödsinn machen und anfangen, überall hinzupieseln.“ Zeitungen auslegen, rät sie in diesem Fall. „Und ruhig mal eine vollgepieselte Zeitung eine Weile liegenlassen, damit sie den Geruch erkennen und immer wieder an die gleiche Stelle gehen.“

Die dreijährige Nelly soll heute zum zweiten Mal „geschallt“ werden, sprich: Ihre Gebärmutter wird per Ultraschall untersucht. Die französische Bulldogge ist seit 31 Tagen trächtig von Butch mit dem gestromten Fell und soll in vier bis fünf Wochen Nachwuchs bekommen. Bei der ersten Ultraschalluntersuchung am 18. Tag der Schwangerschaft waren lediglich einige winzige Punkte auf dem Bildschirm des Gerätes zu sehen, für den Laien kaum erkennbar als Zeichen einer frühen Schwangerschaft. Der Besitzer des Deckrüben habe sogar schlichtweg bestritten, dass irgendetwas zu sehen gewesen sei, erinnert sich Hofman-Schneider.

„Man muss schon ein sehr geübtes Auge haben, um zu diesem Zeitpunkt überhaupt etwas zu entdecken“, bestätigt Feldbusch und lässt die Ultraschall-Sonde langsam über Nellys Bauch gleiten. Auf ihrem Kopf sitzt ein dunkelroter Samthut, die Beine stecken in kunterbunten Strümpfen, um die Pipi Langstrumpf sie beneiden würde. Ketten und Anhänger baumeln um ihren Hals. „Man muss den Leuten was bieten“, hat sie eben, bei der Herfahrt im Auto, erzählt und dabei schelmisch gegrinst.

Jetzt beugt sie sich gespannt vor und blickt konzentriert auf den Bildschirm. Heute sind auf Anhieb mehrere symmetrisch angeordnete dunkle Flecken zu erkennen; jeder von ihnen ist etwa so groß wie eine Zwei-Euro-Münze. Die Tierhebamme nickt zufrieden. Hat sie es doch gewusst! „Sechs Welpen. Drei auf jeder Seite.“ Sie ruckelt ein wenig mit der Sonde über den Bauch. Mal gucken, ob sich nicht einer der Welpen aufwecken lässt. Doch nichts bewegt sich auf dem Bildschirm.

Rund 550 Hunde hat die ehemalige Züchterin von Briards, von französischen Hütehunden, in ihrem Leben bereits geschallt. „Ich weiß genau, worauf ich achten und wo ich hingucken muss. Ich wühle so lange herum, bis ich etwas finde“, sagt sie - und macht sich auf die Suche nach möglichen weiteren Welpen im Leib der werdenden Mutter. „Vielleicht hat sich noch einer hinter dem Rippenbogen versteckt.“ Die Sonde wandert noch einmal über den hell behaarten Hundebauch. Nelly schnauft. Die Pfoten zucken. „Ganz ruhig“, flüstert Hofman-Schneider und krault ihr den Nacken. Es wird Nellys zweiter Wurf sein. Für drei der ungeborenen Welpen haben sich bereits Interessenten aus ganz Deutschland gemeldet.

Feldbusch zählt zum vierten Mal die schwarzen Flecken auf dem Bildschirm: „Eins, zwei drei…“ Es bleibt dabei: Sechs Welpen wachsen heran im Bauch der französischen Dogge. Mehr als 15 Jahre hat Monika Feldbusch Hunde gezüchtet: Ist bei Wind und Wetter raus mit den Welpen, hat im Frühling das Grundstück im Oberbergischen fit gemacht für den Sommer. Dazu die viele Wäsche und der Ärger mit den Nachbarn. „Irgendwann hatte ich genug davon und wollte mich nur noch mit den schönen Seiten des Züchtens beschäftigen“, erzählt sie.

Hinzu kam die Notwendigkeit, nach Aufgabe der eigenen Hundezucht einen neuen Wirkungskreis zu finden. „Ich war über 40. Ich bin flexibel, ich bin nicht dumm, ich habe ein fotografisches Gedächtnis und einen Handelsschulabschluss.“ Ein akzeptabler Job fand sich dennoch nicht nach dem Umzug nach Krefeld vor drei Jahren. „Ich bin immer nur an Zeitarbeitsfirmen geraten und habe gemerkt, das ist nicht mein Ding.“ Ihr Ding, das sind die Hunde und andere Vierbeiner.

Energisch wischt die Tierhebamme das Gel von Nellys Bauch. Alles in Ordnung. In zwei Wochen wird sie noch einmal vorbeischauen. Und falls es bei der Geburt Probleme gibt, wird sie jederzeit für Sandra Hofman-Schneider erreichbar sein.

Monika Feldbusch hat bereits weitere Pläne. „Demnächst will ich auf Reptilien erweitern“, sagt sie. Bequemer als der Gang zum Tierarzt sei ein Anruf bei der Tierhebamme allemal. „Schleppen Sie mal eine drei Meter lange und 25 Kilo schwere Boa Constrictor in einem Käfig durch die Gegend.“ Keine Angst vor Schlangen? Die Hundehebamme schüttelt den Kopf. „Das wäre ja noch schöner.“

Monika Feldbusch
Monika Feldbusch
Petra Pluwatsch Lizenz
Ein Pass für schwangere Kleintiere
Ein Pass für schwangere Kleintiere
Petra Pluwatsch Lizenz