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Täter filmten den Angriff Täter filmen Übergriff: Polizist bei Verkehrskontrolle in Sankt Augustin mit Beil attackiert

Von Cordula Orphal 03.01.2018, 05:00
Wird das Signal „Polizei“ auf dem Streifenwagen eingeschaltet, wird damit automatisch die Kamera gestartet, die aus der Windschutzscheibe das Geschehen vor dem Einsatzfahrzeug filmt.
Wird das Signal „Polizei“ auf dem Streifenwagen eingeschaltet, wird damit automatisch die Kamera gestartet, die aus der Windschutzscheibe das Geschehen vor dem Einsatzfahrzeug filmt. imago stock&people

Sankt Augustin/Siegburg - Flaschen, Steine und Böller auf Polizisten und Einsatzfahrzeuge, Übergriffe auf Rettungskräfte, Bedrohungen mit Schusswaffen: Die Vielzahl an Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht in Leipzig, Berlin, Dortmund, ist aber nur die Spitze des Eisberges.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der Zeitung „Die Welt“, die Attacken gegen Einsatzkräfte hätten inzwischen lebensbedrohliche Ausmaße angenommen.

Zwar mag das Klima in den Großstädten rauer sein, doch auch im ländlichen Raum haben Angriffe auf Polizisten erschreckende Ausmaße angenommen. Das belegt ein Fall, der jetzt vor dem Siegburger Amtsgericht zur Verhandlung kam. Ein 30-Jähriger hatte einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle mit einem Beil angegriffen, die Attacke war gefilmt und bei der Verhandlung gezeigt worden.

Angriff bei Verkehrskontrolle: Bruder des Täters filmt die Attacke

Der hartgesottene Polizist war sichtlich erschüttert, als er mitansehen musste, wie der Täter mit dem Beil auf ihn losging, ihn niederrang, in den Schwitzkasten nahm und auf ihn einschlug. Immer wieder flimmerten die Szenen im Gerichtssaal über die Leinwand, festgehalten von der Kamera des Streifenwagens und vom Bruder des Täters mit dem Handy.

Unwirklich wie ein Spielfilm und doch brutale Realität. Das Schöffengericht verurteilte den 30-jährigen Angeklagten jetzt zu zweieinhalb Jahren Gefängnis.

Der Angriff geschah am 16. Juni 2016, der Anlass: eine Verkehrskontrolle. Der 47-jährige Dienstgruppenleiter aus der Wache Sankt Augustin hatte an diesem Tag auf einer abgelegenen Straße in Niederpleis Verdächtiges beobachtet. Ein Mann entfernte sich daraufhin in einem Pkw, die zur Hilfe gerufenen Kollegen hielten ihn an und nahmen ihn mit zur Wache. Er stand unter Drogen und hatte zudem keinen Führerschein.

Polizist setzt Pfefferspray gegen aggressiven Beifahrer ein

Der 47-Jährige verfolgte den zweiten Pkw, einen auffälligen Jaguar, bis zu den Parkplätzen am Hotel Regina im Zentrum, schaltete das Signal am Streifenwagen ein: „Stop – Polizei“ und startete damit automatisch die Kamera. Kurze Zeit später eskalierte die Situation.

Während der Fahrer, ein 24-Jähriger, sich relativ ruhig verhielt, ging der Beifahrer, sein 30-jähriger Bruder, den Beamten aggressiv an, duzte ihn, belegte ihn mit Beschimpfungen und filmte dessen Reaktion mit dem Handy. Den Anweisungen des Polizisten, das zu unterlassen und wieder in den Wagen einzusteigen, leistete er nicht Folge. Im Gegenteil rückte er dem Beamten so bedrohlich nah, dass dieser Pfefferspray zückte und in dessen Richtung sprühte.

Angeklagter entschuldigt sich vor Gericht

Hier bricht der Film kurz ab, offenbar wechselte das Mobiltelefon in die Hand des Jüngeren. Denn die nächsten Bilder zeigen, wie der ältere Bruder auf den Polizisten einschlägt. Die Attacke mit dem Beil ist auch auf den Aufnahmen der Streifenwagenkamera zu sehen. Auch dass der Polizeibeamte die Arme zum Schutz hochreißt und damit den Hieb mit der stumpfen Klingenseite abblockt – nur seinen trainierten Reflexen verdankte es der 47-Jährige, dass er lediglich Prellungen und Schürfwunden davontrug.

Der Angeklagte, selbstständig in der Automobilbranche und Vater eines Kleinkindes, räumte in der Hauptverhandlung die Vorwürfe über seine beiden Strafverteidiger ein und rang sich eine Entschuldigung ab. Auf Nachfrage des Gerichts erklärten seine Anwälte, dass es bislang keinen Kontakt zu dem Opfer gab, weder eine Entschuldigung, noch das Angebot, Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Anwälte fragten das Opfers im Zeugenstand mehrfach nach dem Einsatz des Pfeffersprays: Habe er als erfahrener Polizist denn keine Möglichkeit gesehen, die Lage zu deeskalieren, vielleicht durch seinen Rückzug? Das Opfer erklärte: „Es ging alles so schnell.“ Er hatte Verstärkung gerufen, erwartete die Kollegen jeden Augenblick.

Gegen den Vorwurf, der da mitschwang, erhob der Nebenklagevertreter des Opfers, der Bonner Rechtsanwalt Professor Dr. Volkmar Mehle, Einspruch: Der Polizist habe lediglich versucht, den Täter auf Abstand zu halten. Der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand betonte, dass der Beamte in Ausübung seines Dienstes „ein Höchstmaß an Obacht und Aufmerksamkeit“ walten ließ.

Durch einen Joint enthemmt und „euphorisiert“

Die brutale Tat sei nicht zu bagatellisieren, auch wenn die Folgen – eine zweiwöchige Dienstunfähigkeit – gering waren. Die grundaggressive Haltung und die Respektlosigkeit gegenüber dem Polizeibeamten müssten bestraft werden.

Ins Urteil miteinbezogen wurde, dass der Angeklagte durch einen Joint enthemmt und „euphorisiert“ war, wie der rechtsmedizinische Gutachter in der Verhandlung ausführte. Das führe zu einer Minderung der Steuerungsfähigkeit. Die Strafe fiel aber dennoch deutlich aus, der Nebenkläger, sein Rechtsbeistand und die zahlreichen Kollegen des Opfers auf den Zuschauerbänken quittierten das mit zufriedenem Nicken.

Die Strafverteidiger ließen offen, ob sie das Urteil anfechten wollen. Ebenfalls noch nicht rechtskräftig ist ein unlängst ergangenes Urteil des Landgerichts Bonn: Das verhängte gegen den Angeklagten eine Haftstrafe wegen Raubs von zwei Jahren und neun Monaten.