Szene Szene: Bei Kuschelpartys ist Anfassen ausdrücklich erlaubt

Hamburg/dpa. - Auf ihrer Brust kleben Zettel mit ihrenVornamen. Aufgeregt und angespannt beobachten sich die Teilnehmer dervierten Hamburger Kuschelparty. In einer Vorstellungsrunde vertrauensie sich die Gründe ihres Kommens an: Neugierde und Sehnsucht. Mehrbrauchen sie voneinander nicht zu wissen.
«Es ist schräg und gleichzeitig sinnvoll, dass wir uns hiertreffen, aber eigentlich ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft»,erklärt Florian Pittner. Es sei schlimm, dass die Leute sich nachNähe sehnen, weil sie die im täglichen Leben nicht bekommen. Der 30-Jährige ist Veranstalter der Hamburger Partys, studiert eigentlichSozialpädagogik und kuschelt gerne. Er gibt zu, dass auch er jedesMal vor der Party genauso angespannt ist wie seine Gäste.
Damit diese Anspannung schnell abfällt, bringen Inka und Shanti,die beiden Kuscheltrainer, die Wildfremden einander näher. Dochzunächst erklären sie die Regeln: «Kein Sex und die Kleidung bleibt an». Außerdem haben sie eine Glocke dabei, um die Teilnehmer jäh ausihren Kuschelpositionen zu reißen, falls es zu hitzig wird. «Bisherwar das aber noch nicht nötig, die meisten haben sich ganz gut imGriff», sagt Florian Pittner.
Dann geht es los. In Dreiergruppen stehen sich die Kuschelfreaksgegenüber, die Augen sind geschlossen, die Hände ausgestreckt zurMitte. Langsam ertasten sie die Finger, Hände und Arme ihrerKuschelpartner. Um sie herum liegen Kissen und Matratzen, das Lichtist gedimmt, Kerzen flackern, im Hintergrund laufen Liebeslieder.Nach einer Weile sollen sich die Frauen und Männer auf dieMattenwiese legen und in sich hineinhorchen, sich selber spüren, danndie Matratzen - schließlich die Nachbarn.
Die Hände und Füße der Teilnehmer ertasten vorsichtig dieUmgebung, dabei stoßen sie auf fremde Hände und Füße. Sie kommen sichnäher, robben aneinander heran. Vorher wird höflich gefragt, wennjemand nicht will, sagt er deutlich nein. «Darf ich mich hinter dichlegen?», fragt ein Mann vorsichtig seine Nachbarin. Die schmiegt sichan ihn. Beide atmen wohlig und laut aus, er summt zur Musik.
Sheraz ist mit 20 Jahren der bisher jüngste Teilnehmer und zumersten Mal dabei. «Ich bin hier, weil ich normale Partys zuoberflächlich finde.» Dort würden sich die Gäste erst mit genügendAlkohol im Blut ihre Gefühle zeigen, die ihnen hinterher sogar nochpeinlich wären. Er komme auf jeden Fall wieder, wenn er einsam sei.
«Kuscheln macht eben glücklich und selig, man fühlt sich danachbesser und attraktiver», erklärt Florian. Seine Kuschelpartys habenmittlerweile sogar einige Stammgäste. Auch Annika ist schon zumdritten Mal dabei. «Es wird zu viel geredet in unserer Gesellschaft.Ich möchte jemanden einfach nur körperlich kennen lernen, ohne gleichim Bett zu landen», sagt die 33-Jährige.
Der Trend der Kuschelpartys kommt aus New York, wo sie alsPrivatpartys begannen und sich schnell ausbreiteten. Bevor in Hamburgdie ersten Partygäste aufeinander trafen, fuhren Inka und Shanti nachBerlin, um sich dort eine Kuschelparty anzusehen. «Auf BerlinerPartys ist ein starker Männerüberschuss, außerdem ist das eineSingle-Börse», erklärt Florian Pittner. In Hamburg ist die Anzahl derMänner und Frauen recht ausgeglichen. Die Gäste seien zwar auchhauptsächlich Singles, das Verkuppeln sei allerdings nicht Ziel derPartys. «Es interessiert uns aber auch nicht, ob die Kuschelpärchenam Ende des Abends gemeinsam nach Hause gehen.»