1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Supervulkan bei Neapel: Experte warnt vor Bohrungen - Massive Katastrophe droht

Supervulkan bei Neapel Bohrungen sollen Druck reduzieren - Experte warnt vor massiver Katastrophe

Eine Gruppe von Vulkanologen will die Gefahr eines Vulkanausbruchs durch Bohrungen in den Phlegräischen Feldern in Süditalien reduzieren. Andere sehen darin jedoch ein enormes Risiko: Der Supervulkan könnte zur Todeszone werden.

Von DUR 24.10.2024, 12:14
Der Vesuv befindet sich in unmittelbarer Nähe Neapels. Forscher wollen die Gefahr eines Supervulkan-Ausbruchs durch Bohrungen reduzieren.
Der Vesuv befindet sich in unmittelbarer Nähe Neapels. Forscher wollen die Gefahr eines Supervulkan-Ausbruchs durch Bohrungen reduzieren. Foto: dpa

Neapel. - Seit mittlerweile anderthalb Jahren sorgt der Supervulkan in den sogenannten Phlegräischen Feldern für Unruhe in der Gegend im Westen der Millionenstadt Neapel im Süden Italiens. Besonders stark betroffen ist die Hafenstadt Pozzuoli. Etwa eine halbe Million Menschen, die in der roten Zone leben, wurden schon mehrfach von Erdbeben mit einer Stärke von bis zu 4,4 erschüttert. 

Supervulkan brodelt: Hebung der Erde als Anzeichen eines Ausbruchs

Diese Erdbeben treten in der Folge eines Anstiegs des Bodenniveaus in der Region auf. In den vergangenen 70 Jahren hob sich der gesamte Ort um etwa vier Meter: ein Anzeichen eines bevorstehenden Vulkanausbruchs.

Lesen Sie auch: Erdbeben der Stärke 4,2 bei Neapel

Oft kündigen sich die Erdstöße mit einem Donnern an. Auslöser dafür sind die vulkanischen Aktivitäten in der Tiefe des Bodens. Dieses Phänomen nennt sich "Bradyseismos", ein typisches Phänomen in den Phlegräischen Feldern. Nach Phasen der Hebung senkt sich das Areal wieder. Das kommt daher, dass sich die Magmakammern unter den Phlegräischen Felder regelmäßig füllen und wieder leeren.

Bohrlöcher am Supervulkan sollen Gefahr bannen

Zurzeit wird neben weiteren Beben auch ein phreatischer Ausbruch in den Phlegräischen Feldern befürchtet, eine gigantische Dampfexplosion, die sich auch mitten in bewohnten Gebieten ereignen könnte. Einige Wissenschaftler befürchten sogar eine mächtige plinianische Eruption, die mit großen Mengen an Asche und Lava verbunden wäre. 

Lesen Sie auch: Phlegräische Felder in Italien: Sorge um Europas Supervulkan

Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, haben nun Vulkanologen und Geophysiker im Fachmagazin "American Mineralogist" eine unkonventionelle Methode vorgeschlagen: In einen Artikel reden die Autoren rund um den Neapolitaner Geochemie-Professor Benedetto De Vivo davon, den Supervulkan anzubohren, um Druck abzulassen.

Bohrungen am Supervulkan: Mindestens zehn Löcher mit einer Tiefe von drei Kilometern

Laut der Wissenschaftler seien die derzeitigen Krisenzustände nicht auf das Magma, sondern auf das Aufsteigen von anderen Flüssigkeiten zurückzuführen. Das Magma würde im Moment in der Erdkruste aushärten, wobei Flüssigkeiten ausgestoßen werden, die an die Oberfläche gelangen und somit die Beben auslösen. 

Lesen Sie auch: Erdbeben der Stärke 3 am Vesuv

De Vivo und die anderen Wissenschaftler sprechen im Interview mit pozollinews24.it von "mindestens zehn Löchern mit einer Tiefe von drei Kilometern, von denen einige auch im Meer gebohrt werden könnten". Das Ziel der Bohrungen sei es, „das Risiko phreatischer Eruptionen zu minimieren und gleichzeitig Hebung und Bebenaktivität zu verringern“.

Unvorhersehbare Auswirkungen

Doch nicht jeder hält diesen Vorschlag für die Lösung aller Probleme. Giuseppe Mastrolorenzo, Vulkanologe und führender Forscher des Vesuv-Observatoriums des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) sieht einige Risiken, die mit den Bohrungen verbunden sind.

„Es handelt sich um komplexe Systeme, die wir nicht auf einen Schnellkochtopf reduzieren können, wie er dargestellt wird, sondern bei denen kleine Modifikationen, die wir vornehmen, große, unvorhersehbare Auswirkungen haben können“, sagt er. 

Blick auf die Phlegräischen Felder bei Neapel
Blick auf die Phlegräischen Felder bei Neapel
Foto: dpa

Der Vulkanologe verweist auf einen INGV-Bericht, in dem vor der „Gefahr von Bohr-, Förder- und Flüssigkeitsinjektionsaktivitäten in den Phlegräischen Feldern“ gewarnt wurde. Zudem mahnt er davor, dass dies das erste Experiment dieser Art sei - und das im am dichtesten besiedelten Gebiet Italiens, im gefährlichsten Vulkan der Welt.

Dass Geothermiebohrungen wie diese Erdbeben auslösen könnten, sei weltweit bekannt. Zudem sei es in den Phlegräischen Feldern sehr problematisch, das seit Jahrtausenden instabile hydrothermale System zu verändern. Jede Änderung könnte laut Mastrolorenzo zu unvorhersehbaren Entwicklungen führen. 

Gefahr von noch größeren Erdbeben

„Es kann zu Erdbeben oder dem Ausstoß von Flüssigkeiten kommen, die Kohlendioxid enthalten, das dichter als Luft ist: Alle Ebenen der Phlegräischen Felder könnten zur Todeszone werden“, mahnt er. Durch die Entnahme der Flüssigkeiten könnten aufgrund der Dekompression noch weitaus größere Erdbeben entstehen. 

In der Folge sieht er sogar die Millionenmetropole Neapel in Gefahr, da sogar auch eine große Eruption jederzeit möglich sei. Stattdessen meint er: „Das Geld für die Bohrungen wäre besser in die Erdbebensicherheit von Gebäuden investiert.“