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Studie zur Psychologie Studie zur Psychologie: Intelligenz und Dummheit sind keine Gegensätze

Von Rudolf Grimm 17.08.2005, 08:24
Der Dalai Lama, fotografiert in seiner Exil-Residenz im nordindischen Himalaya-Ort Dharamsala. Forscher fordern die Abkehr von den streng getrennten Begriffen Intelligenz und Dummheit: Es gebe auch auf der ganzen Welt keinen Intelligenzgriff, der derart abgespalten sei von anderen Eigenschaften oder Fähigkeiten, zum Beispiel von der Weisheit. (Foto: dpa)
Der Dalai Lama, fotografiert in seiner Exil-Residenz im nordindischen Himalaya-Ort Dharamsala. Forscher fordern die Abkehr von den streng getrennten Begriffen Intelligenz und Dummheit: Es gebe auch auf der ganzen Welt keinen Intelligenzgriff, der derart abgespalten sei von anderen Eigenschaften oder Fähigkeiten, zum Beispiel von der Weisheit. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Dagegen schließtdie Anthropologin Ina Rösing, Direktorin des Instituts fürKulturanthropologie am Universitätsklinikum Ulm, aus ihren Studien,dass Intelligenz und Dummheit kein Gegensatz sind.

Wie die Forscherin in einem Gespräch mit der Zeitschrift«Psychologie heute» (Weinheim, Juli-Ausgabe) sagte, haben sie ihreinternationalen Untersuchungen «zu der Schlussfolgerung geführt, dasses in höchstem Maße sinnvoll und wünschenswert wäre, die extremeSchwarz-Weiß-Zeichnung von Intelligenz und Dummheit ein wenigaufzuweichen.»

Es gebe keine Kultur auf der Erde, die einen so engenIntelligenzbegriff habe wie die westliche, konstatierte Rösing. Esgebe auch auf der ganzen Welt keinen Intelligenzgriff, der derartabgespalten sei von anderen Eigenschaften oder Fähigkeiten, zumBeispiel von der Weisheit. Der westliche Intelligenzbegriff basiertnach ihrem Urteil zu einseitig auf der in Tests festgestelltenanalytischen Intelligenz. Sie möchte diesen Begriff ein bisschenrelativieren und entthronen, wie sie sagte.

«Es gibt Aspekte, die bei uns zur Intelligenz gehören, aber inanderen Kulturen Teil der Dummheit sind», sagte sie weiter.«Schnelligkeit gehört zum Beispiel bei uns zur Intelligenz dazu.» Fürdie Bataro und Baganda in Uganda sei Schnelligkeit dagegen einZeichen von Dummheit und Langsamkeit ein Teil der Intelligenz.Langsamkeit bedeute: erst mal hinhören, abwägen, noch mal nachdenken,in sich gehen.

Langsamkeit in diesem Sinne hat auch der deutsche SchriftstellerSten Nadolny in seinem Roman «Die Entdeckung der Langsamkeit»beschrieben, der in den achtziger und neunziger Jahren zu einem neuenOrientierungstrend beitrug. Held des Romans ist der englischeSeefahrer und Polarforscher John Franklin. Da heißt es zum Beispiel:«Wer sich in Krisensituationen auf Langsamkeit, Nachdenklichkeit undOffenheit einlässt, wird nicht nur die Angst reduzieren, er wird auchschneller ans Ziel kommen.» Franklin stellte auf dem Schiff stetsfest, dass es beim Üben von Knotenmachen mehr darauf anzukommenschien, wie schnell ein Knoten fertig war. Bei der wirklichen Arbeitkam es dann aber darauf an, wie gut er hielt.

Rösing sieht ein besonders sinnvolles Kriterium von Intelligenz,die auch anderen Kulturen gerecht wird, im Erfolg, das heißt derFähigkeit, die Probleme zu lösen, die in einer bestimmten Umweltanstehen. Hierzu zählen Umweltbedingungen, aber etwa auch dieGesellschaft. Für eine solche Intelligenz sind bestimmte Ressourcenerforderlich, egal, in welcher Kultur. «Dies können kognitive oderauch emotionale Ressourcen sein. Zweitens schließt Erfolgsintelligenzdie Fähigkeit ein, aus Fehlern zu lernen, und drittens die Fähigkeit,Schwächen zu kompensieren», sagte Rösing.

In diesem Kontext werden als Beispiel gelegentlich dieaustralischen Ureinwohner genannt, die in den Augen der im 19.Jahrhundert nach Australien kommenden europäischen Siedler extremprimitiv und unbegabt waren, jedoch immerhin Dutzende Jahrtausende ineiner eher schwierigen Umwelt gut zurechtgekommen waren.

Der amerikanische Psychologieprofessor Robert J. Sternbergschreibt in seinem Buch «Successful Intelligence» (deutsch«Erfolgsintelligenz», 1998): «Die Fähigkeiten, die man braucht, umlesen oder schreiben zu lernen - und denen in unserer Kultur so großeBedeutung zukommt -, spielen in Gesellschaften ohne Schriftkulturkeine besonders große Rolle. Dagegen kann die Fähigkeit, mit dem Augesehr feine Unterschiede wahrzunehmen - in unserer Kultur nicht geradebesonders wichtig -, über Leben und Tod entscheiden.»

Sternbergs Buch beginnt mit dem Kapitel «Mein Leben als Dummkopf».Da schildert er, wie er in der Grundschule in allen IQ-Tests versagteund die Lehrer und Lehrerinnen deswegen von ihm nicht viel erwarteten- und er ihre Erwartungen auch entsprechend erfüllte.