Steuer-Prozess Steuer-Prozess: Anklage fordert dreieinhalb Jahre Haft für Becker

München/dpa. - Im Strafprozess gegen Boris Becker (34) hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung gefordert. Das Volumen der 1991 bis 1993 hinterzogenen Steuer in Höhe von umgerechnet knapp 1,7 Millionen Euro müsse sich strafverschärfend für den früheren Tennisstar auswirken, sagte Staatsanwalt Matthias Musiol in seinem Plädoyer vor der 4. Strafkammer des Landgerichts München I. Die Verteidigung nannte die Strafforderung unangemessen und plädierte für eine Freiheitsstrafe auf Bewährung, die damit maximal zwei Jahre betragen könnte. Das Urteil wird an diesem Donnerstag erwartet.
Becker hatte 1991 bis 1993 seinen Wohnsitz offiziell im Steuerparadies Monaco, tatsächlich war sein Lebensmittelpunkt laut Anklage aber in München. Wenige Tage vor dem Prozess hatte Becker fast 3,1 Millionen Euro Steuernachzahlung für die Jahre 1991 bis 1995 an die Staatskasse überwiesen, wie ein Vertreter des Münchner Finanzamts dem Gericht mitteilte.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gibt es erhebliche Zweifel an der Schuldeinsicht von Becker. Strafmildernd sei zu berücksichtigen, dass Becker den Sachverhalt eingeräumt habe, sagte Musiol. Der Schaden sei mit der Nachzahlung zwar in voller Höhe wieder gut gemacht worden, andererseits lägen die Vorfälle auch schon sieben bis neun Jahre zurück.
Die Wiedergutmachtung des Schadens sei anzuerkennen, aber ein wohlhabender Täter dürfe sich auf diese Weise nicht eine Mindeststrafe erkaufen können. Neue Berechnungen des Münchner Finanzamts, wonach Beckers Steuerschuld für 1991 bis 1993 nur noch umgerechnet knapp 256 000 Euro betragen könnte, erkannte die Staatsanwaltschaft nicht an. Denn den dafür reklamierten so genannten Verlustrücktrag von knapp 8,2 Millionen Euro würde Becker damit ein zweites Mal geltend machen, betonte Musiol.
Vor dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft war die Beweisaufnahme überraschend schnell abgeschlossen worden. Verteidiger Jörg Weigell erklärte: «Boris Becker ist kein ausgefuchster Abzocker, sondern war ein unbedarfter Tennisspieler.» Er habe sich wohl zu sehr auf seine Berater verlassen. «Für eine zu hohe Bestrafung hat die Öffentlichkeit kein Verständnis», sagte Weigell. «Ich habe dem nichts hinzuzufügen», sagte Boris Becker in seinem Schlusswort.
Becker hatte zum Prozessauftakt Fehler eingeräumt, aber kein umfassendes Geständnis abgelegt. Er habe Warnungen in den Wind geschlagen, dass eine Wohnung in München neben der ursprünglichen Bleibe in Monaco zu uneingeschränkter Steuerpflicht in Deutschland führe, erklärte der 34-Jährige vor Gericht. Ein Tennisprofi kenne aber praktisch kein Zuhause und sei 45 Wochen im Jahr rund um den Erdball unterwegs. «Unser Büro ist praktisch die ganze Welt.»
Zugleich räumte Becker ein, dass er gelegentlich einen zur Münchner Wohnung seiner Schwester Sabine gehörenden Dachraum genutzt habe. Denn damals habe er seine spätere Ehefrau Barbara Feltus kennen gelernt, die in München lebte.
Becker stellte in Frage, ob man diesen Dachraum als Wohnung bezeichnen könne. «Es gab ein Bett, eine Sitzbank, aber noch nicht einmal einen Schrank, keine Küchenzeile, noch nicht einmal einen Kühlschrank.» Der Raum sei spartanischer als eine Unterkunft bei den Olympischen Spielen gewesen. Die Warnungen vor steuerrechtlichen Folgen habe er in den Wind geschlagen. «Das war falsch, deshalb stehe ich hier», sagte der gebürtige Leimener. «Ich stehe zu meiner Verantwortung für Fehler, die ich vor 10 Jahren begangen habe, und weiß, dass ich dafür büßen muss.»
Man könne ihm aber nicht vorwerfen, Einnahmen verschwiegen, mit Schwarzgeld gearbeitet oder «kriminelle Machenschaften gemacht zu haben», betonte Becker, der im grauen Anzug mit weißem Hemd und taubenblauer Krawatte erschienen war. Die Vorsitzende Richterin Huberta Knöringer bestätigte, dass Becker seine Steuer-Angaben in der falschen Spalte - nämlich der für in Deutschland nicht steuerpflichtige Einkünfte - gemacht habe.
Listen der Mutter Elvira Becker mit genauen Angaben, wann ihr Sohn im Ausland und wann er in Deutschland und München gewesen sei, könne sein Mandant weder bestätigen noch dementieren, weil das zu lange zurückliege, erklärte Prof. Klaus Volk, der zweite Verteidiger. Auf Fragen der Vorsitzenden Richterin, warum denn die Münchner Wohnung für die Schwester von ihm selbst gesucht wurde, erklärte Becker: «Wenn mein Name irgendwo drauf steht, geht alles einfach schneller.»

