Justiz Staus durch Klima-Blockaden: Unterschiedliche Bewertung
Klima-Demonstranten blockieren regelmäßig Straßen in der Hauptstadt. Die Folge sind oft lange Staus. Für die Berliner Staatsanwaltschaft ist klar: Das ist Nötigung. Gerichte sehen das anders.
Berlin - In der Berliner Justiz gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Straßenblockaden von Klima-Demonstranten als Nötigung zu werten sind. Das Landgericht Berlin hat dies jüngst für eine Aktion der Letzten Generation an der Stadtautobahn A100 verneint, wie aus einem Beschluss von Mai 2023 hervorgeht. Es begründete dies unter anderem mit den „üblichen Stauzeiten“ in Berlin und der Möglichkeit, auf den öffentlichen Nahverkehr auszuweichen. Das Gericht machte aber in seiner Begründung deutlich, dass es bei der Bewertung auf die konkreten Folgen und das Ausmaß der jeweiligen Blockade ankommt. Zuvor hatte der „Tagesspiegel“ berichtet.
„Es gibt bei uns bislang keine Grundsatzentscheidung“, sagte die Sprecherin der Berliner Strafgerichte, Lisa Jani, am Montag. Das Amtsgericht Tiergarten habe inzwischen Hunderte Strafbefehle gegen Mitglieder der Klimagruppe Letzte Generation erlassen, die von der Staatsanwaltschaft Berlin beantragt wurden. In der Regel geht es um Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Weil die Klima-Aktivisten die Verurteilung in der Regel nicht akzeptieren, kommt es doch zum Prozess. Inzwischen gibt es wöchentlich mehrere solcher Verhandlungen beim Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat nach eigenen Angaben knapp 1800 (Stand: 10. Mai) Verfahren zu Blockaden der Letzten Generation auf den Tisch bekommen.
Bei dem Beschluss des Landgerichts ging es darum, dass das Amtsgericht so einen Strafbefehl nicht erlassen wollte. Der Richter bewertete die Versammlungsfreiheit als höheres Gut als den Vorwurf der Nötigung. Das Festkleben der Hand auf der Fahrbahn sah er nicht als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Weil die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte, bekam das Landgericht den Fall auf den Tisch.
Im Fall der Nötigung bestätigte es die Ansicht der Vorinstanz. Mit einer Dauer von gut einer halben Stunde sei die Blockade am 30. Juni 2022 „hinsichtlich der üblichen Stauzeiten“ in Berlin „moderat“ gewesen. Da die Letzte Generation zuvor bekannt gemacht habe, dass es an dem Tag Aktionen im Stadtgebiet gebe, sei ein „Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr oder das Einplanen von mehr Zeit“ (...) generell möglich“ gewesen. Den Vorwurf des Widerstands sah das Landgericht aber, so dass es nun zum Prozess kommt.
Wie entscheidend für die strafrechtliche Bewertung der Klimaproteste die Details sind, wird auch durch einen Beschluss des Kammergerichts vom Mai 2023 deutlich. Dies hat als oberstes Berliner Strafgericht ein Urteil des Amtsgerichts aufgehoben, weil aus seiner Sicht Details fehlen, etwa zum konkreten Ausmaß des entstandenen Staus.