„Wie von Zauberhand“ Verzaubertes Holz aus dem Spreewald

Schlepzig/dpa - Es gibt viele Künstler, die mit Holz arbeiten. Was Achim Nocka aus Schlepzig allein durch das Zusammenführen unterschiedlicher Wurzeln und Äste kreiert, ist allerdings ein echter Hingucker.
Wenn Achim Nocka eine alte Baumwurzel, einen krumm gewachsenen Baumstamm oder abgestorbene Äste erblickt, weiß der Künstler sofort, was sich daraus machen lässt: ein Pfau, der sich reckt, ein Eisvogel mit Fisch im Maul, ein Elefant mit flatternden Ohren oder ein Hirsch, der den Kopf mit prachtvollem Geweih angriffslustig senkt. „Ich habe die Gabe, das fertige Kunstwerk zu sehen. Dann setze ich die einzelnen Stücke aneinander und das passt einfach. Das geht wirklich wie von Zauberhand“, erklärt er.
Der Garten seines Anwesens in Schlepzig (Dahme-Spreewald) ist voller Anschauungsobjekte. Nockas ungewöhnliche Skulpturen aus Totholz stehen auch in Hotels und Gaststätten der Region. Wer sein „verzaubertes Holz“, wie er seine Unikate nennt, betrachtet, ist erstaunt: Nocka schnitzt oder sägt nicht, er führt die gefundenen Holzstücke wie ein Puzzle zusammen, verspachtelt sie mit Leim und Sägespänen und fixiert sie mit Schrauben, die später unter einer Patina verschwinden. Äste werden zu Muskelsträngen, Baumstümpfe zu Pferdehufen, Wurzeln zu Elefantenrüsseln. Seine Kreationen sind keine festen Körper. Zwischen den einzelnen Teilen scheint Licht hindurch, die Skulpturen wirken durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten wie lebendig.
„Anatomisch stimmt da alles“, betont der gelernte Steinmetz und Werbegrafiker, der vor seinem Künstlerdasein unter anderem für den Freizeitpark „Tropical Islands“ (Dahme-Spreewald) gearbeitet hat. Nocka verweist auf seine Arbeitsbibliothek mit Fachbüchern, die ihm zur detailgetreuen Anschauung dienen. Inspiriert wurde er vor Jahren durch eine englische Holzkünstlerin, die mit Treibholz arbeitete, wie der 62-Jährige erzählt. „Ich probierte es selbst aus und fand meine wahre Passion“, schwärmt er. Zunächst sei er für seine Kunst belächelt worden, inzwischen aber könne er davon leben, betont Nocka.
„Was er da tut ist einzigartig, monumental und natürlich, das jeweilige Gesamtkunstwerk wunderschön“, schwärmt Steffen Lohr, Mitinhaber der Spreewood Distillers GmbH in Schlepzig. Beliebt bei Touristen seien vor allem seine „Lutki“, Sagengestalten aus dem Spreewald, erzählt der Künstler. Auch seine individuellen Insektenhotels sind überall in Schlepzig zu finden. In den Wintermonaten bietet Nocka Workshops an, um auch anderen zu vermitteln, wie aus Totholz Kunst wird.
„Das ist ein Wahnsinns-Aufwand, bevor so eine Skulptur fertig ist und einfach irre, was der zaubert“, sagt Schlepzigs Bürgermeister Werner Hämmerling (parteilos), der selbst ein Nocka-Pferd im Garten stehen hat. Er sei schon lange Fan des Künstlers, der zwar Kunstverstand, aber kein Vermarktungstalent besitze, meint der Bürgermeister. „Deswegen ist der immer noch recht unbekannt.“
Das kann auch Denis Kettlitz vom Tourismusverband Spreewald bestätigen, der von Nocka noch nie gehört hat. „Von Keramikern bis zu Malern – wir vermitteln Gästen den Kontakt zu Künstlern in der Region. Atelierbesuche werden auch hin und wieder nachgefragt, aber grundsätzlich dominieren Kunstangebote nicht das Interesse von Touristen im Spreewald“, sagt er.
Nocka selbst hat ein kleines, selbstgebautes Ferien-Block-Häuschen im Garten stehen, das er vermietet. Wer bei ihm Urlaub macht, hat das verzauberte Holz des Künstlers stets vor Augen. „So habe ich Skulpturen schon nach Berlin, Leipzig oder Dresden verkauft“, sagt der Schlepziger, der nach einem Galeristen für seine Arbeiten sucht.
Ständig ist der 62-Jährige auf der Suche nach neuem Material – mit dem Kanu schippert er über die Spree und fischt Totholz aus dem Fluss. Einen kleinen Traktor hat er sich angeschafft, um größere Stämme zu bergen oder aber seine fertigen Kunstwerke auszuliefern. Seine Partner sind Förster und Jäger, die ihm hölzerne Fundstücke vermitteln.
„Ich liebe die Struktur des Holzes, das abgestorben und der Witterung ausgesetzt war – ob nun Weide, Erle oder Pappel. Und ich gebe dem Holz eine neue Bestimmung“, sagt er. Vorbilder sind die Slawen, die als wahre Holzexperten galten. Zu den slawischen Stämmen gehörten die Sorben und Wenden, die sich im 6. Jahrhundert im Spreewald ansiedelten. Die Kunst des Schlepzigers hat auch eine Botschaft. „Ich will die Betrachter zum Nachdenken anregen: „Fangt an, die Natur zu achten und macht nicht alles kaputt“.“