Adel Befreite Monarchin - Japans Kaisergemahlin Masako wird 60
Japans heutige Kaisergemahlin Masako machte lange vor allem mit mentalen Problemen von sich reden. Zweifel wuchsen, ob sie ihrer Rolle als Monarchengattin gerecht würde. Doch das Bild ändert sich.
Tokio - Masako lächelt. Im Kimono posiert Japans Kaisergemahlin mit ihrem Mann, Kaiser Naruhito, kürzlich bei einem Empfang im Palast für Vietnams Präsidenten Vo Van Thuong und dessen Frau. Vor einem Jahr waren dort Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Gattin zu Gast - damals noch mit Corona-Masken.
Diesen Sommer war Japans Kaiserpaar zudem zu Besuch in Indonesien - nun ohne Masken. Es war nach dem Staatsbegräbnis für die britische Queen die zweite Auslandsreise seit der Thronbesteigung. Kurz davor beging das Paar den 30. Hochzeitstag. Auch da zeigte sich Masako, die an diesem 9. Dezember 60 wird, Japans Hoffotografen lächelnd mit Mann und Tochter Aiko.
All diese im Westen kaum zur Kenntnis genommenen Szenen sind für viele Menschen in Japan Balsam für die Seele: Zeigen sie doch Masako, wie man sie lange nicht mehr sah. In einer Rolle, die manche ihr nicht mehr zutrauten. Seit bald fünf Jahren nun schon trägt sie den Titel der Kaisergemahlin. Doch kaum war die Inthronisierung ihres Mannes als Kaiser vollzogen, schlug das Coronavirus zu. Und damit verschwand das Paar für lange Zeit aus dem Blick der Öffentlichkeit. Kein idealer Start für ein Paar, das seinem Volke nahe sein will.
Einst Außenseiterin am Hofe
Davon hatten viele Untertanen bis dahin bei Masako wenig gespürt. Im Gegenteil: In die Sorge um ihre Gesundheit mischten sich in ihrer Zeit als Kronprinzessin zuletzt zunehmend auch gehässige Stimmen. Kritiker vermissten bei Masako den „Geist der Selbstlosigkeit“, den ihre Schwiegermutter Michiko als damalige Kaiserin für das Volk aufbrachte. Masako sei dagegen vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Die frühere Elite-Diplomatin stand als Außenseiterin am Hofe schon lange unter Druck. Offiziell erkrankte die einst fröhliche Harvard-Absolventin an einer „Anpassungsstörung“, die vom Stress ihres Amtes herrühre. 2004 sorgte ihr Mann Naruhito für Wirbel, als er sagte, es habe Bestrebungen am Hofe gegeben, die Karriere und Persönlichkeit seiner Frau zu untergraben. Masako sei erschöpft von dem jahrelangen Versuch, sich der kaiserlichen Familie anzupassen.
Beobachter sahen dahinter vor allem den lange auf Masako lastenden Druck, einen männlichen Thronfolger zu gebären. Schließlich kam Tochter Aiko zur Welt. Doch unter Konservativen war die Enttäuschung groß. Man hatte einen Jungen erwartet. Frauen ist der Thron verwehrt.
Mehr Zuspruch für Masako
Doch jetzt, da die Corona-Pandemie vorbei ist, ihre Tochter erwachsen geworden ist, ändert sich die Stimmung im Volke. Auch wenn viele ihrer Untertanen wegen ihrer pandemiebedingten Abwesenheit noch keine richtige Meinung von Masako in der neuen Rolle als Kaisergemahlin haben: Positiv wird empfunden, dass sie nun immer mit ihrem Mann zusammen auftritt und überhaupt viel öfter in Erscheinung tritt.
Endlich kann diese hochgebildete, mehrsprachige Frau - sie spricht auch Deutsch - ihre Persönlichkeit einbringen, sich mit ausländischen Besuchern unterhalten und mit ihrem Mann im In- und Ausland auf Reisen gehen. „Sie muss das wie eine Befreiung empfinden“, erklärte Kaiser-Experte Ernst Lokowandt in Tokio der Deutschen Presse-Agentur.
Währenddessen rückt erneut eine Frage ins öffentliche Bewusstsein, über die seit der Geburt von Masakos Tochter Aiko immer wieder debattiert wird, die aber bis heute unbeantwortet ist: die Frage, ob das für manche frauenfeindliche Hofgesetz geändert werden sollte, um die Zukunft der Monarchie zu sichern. Denn die Zeit drängt: Hisahito (17), Sohn von Kronprinz Akishino, ist das einzige noch verbliebene männliche Mitglied der jüngsten Generation der Kaiserfamilie.
In Japan kommt der Sicherung der kaiserlichen Thronfolge große Symbolkraft zu. Der Tenno („Himmlischer Herrscher“) gilt seit der Nachkriegszeit zwar nicht mehr als göttlich, aber nach der Verfassung ist er das „Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“. Regierungsbefugnisse sind Japans Monarchen alle genommen.
Eine Frau auf dem Thron?
Sollte Prinz Hisahito eines Tages nicht für männlichen Nachwuchs am Hofe sorgen, „hört das Kaiserhaus auf zu existieren“, erklärte Lokowandt. Würde das Haushofgesetz jedoch so geändert, dass grundsätzlich das erstgeborene Kind - unabhängig vom Geschlecht - auf den Thron kommt, wäre das Nachwuchsproblem gelöst.
Denn dann würde auch einer erstgeborenen Tochter die Thronfolge vor einem jüngeren Bruder oder einem Cousin ermöglicht. Mit anderen Worten: Masakos Tochter Aiko würde eines Tages Kaiserin. „Sie wäre eine ideale Monarchin“, meint der Experte und spricht aus, was viele Japanerinnen und Japaner denken. Wie ihr Vater, Kaiser Naruhito, besuchte Aiko die frühere Adeligenschule Gakushuin. An der Gakushuin-Universität studierte sie japanische Sprache und Literatur.
Wie ihre Mutter liebt Aiko Tiere und züchtete seit der Grundschulzeit Seidenwürmer - eine Aufgabe, die grundsätzlich Kaiserinnen haben. Allein schon wie die 22 Jahre alte Prinzessin auftritt - würdevoll, ruhig, geradezu erhaben - könnte sie in den Augen vieler Japaner eine geeignete Besetzung für den Thron sein. Oder mit den Worten des Kaiserhaus-Experten Lokowandt: „Vor ihr verbeugt man sich gerne.“
In Umfragen befürworteten mehr als 80 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger eine Frau auf dem Thron. Selbst in der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) gibt es laut Medien zunehmend Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass Aiko eines Tages ihrem Vater Naruhito als Kaiserin auf dem Thron folgen sollte.
Dies wäre an sich auch nichts Neues für Japan, denn zwischen dem 6. und dem 18. Jahrhundert hatte es gleich acht Monarchinnen in Japan gegeben. Die letzte war Go-Sakuramachi, die von 1762 bis 1771 regierte. Bislang konnte sich die Regierung nicht dazu durchringen. Doch viele erwarten, dass sie bald nicht mehr darum herumkommt, eine Frau auf dem Thron zu erlauben. Prinzessin Aiko stünde bereit. Für ihre Mutter, Kaisergemahlin Masako, wäre es eine späte Genugtuung.