Auszeichnung Sieg der Filmheldinnen beim Festival in Cannes
„Anora“ von Sean Baker hat die Goldene Palme in Cannes gewonnen. Es ist nicht der einzige Gewinnerfilm des Festivals, in dem sich Frauen zur Wehr setzen.
Cannes - Der Hauptpreis ging an einen Mann - doch die Gewinnerfilme in Cannes erzählen allesamt von starken Frauen. Für „Anora“ erhielt US-Regisseur Sean Baker die Goldene Palme der Filmfestspiele.
Die Tragikomödie handelt von einer jungen Stripperin, die sich gegen eine russische Oligarchenfamilie zur Wehr setzen muss. Nicht nur in „Anora“, sondern auch in allen weiteren preisgekrönten Werken verfolgen Filmheldinnen ihre Ziele.
Sean Baker widmet Film „allen Sexarbeiterinnen“
Mit „Anora“ hat die Jury eine erfrischende Tragikomödie mit Slapstick-Elementen geehrt, die eine furchtlose Hauptfigur in den Fokus stellt. Der Film erzählt von der jungen Ani (Mikey Madison). An ihrem New Yorker Arbeitsplatz in einer Erotikbar lernt sie den russischen Oligarchen-Sohn Vanya kennen. Die beiden bandeln an und heiraten nach wenigen Tagen spontan - zum großen Missfallen von Vanyas in Russland lebenden Eltern. Sie beauftragen ihre örtlichen Helfer, die Heirat zu annullieren. Ein hilfloses Trio von drei Männern taucht in Vanyas Anwesen auf - und dieser türmt.
Beim Versuch, ihn gemeinsam mit Ani wieder einzufangen, kommt es zu allerlei lustigen Situationen, in denen die Protagonistin sich behauptet. Der 53-jährige Baker widmete den Film „allen Sexarbeiterinnen“. Und bedankte sich auf der Bühne bei seiner Frau, der Produzentin des Films.
In Film von geflüchtetem Rassulof setzen sich Iranerinnen zur Wehr
Einen Spezialpreis der Jury erhielt der kürzlich aus dem Iran nach Deutschland geflüchtete Regisseur Mohammed Rassulof. Sein erschütternder, ohne Genehmigung gedrehter Film „The Seed of the Sacred Fig“ spielt im Herbst 2022, als der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini heftige Proteste im Iran auslöste. Im Zentrum steht eine Familie, deren Mitglieder ganz unterschiedlich auf die Proteste reagieren. Die Töchter setzen sich gegen die konservativen Vorstellungen ihrer Eltern zur Wehr. Am Ende des Thrillers verlieren die Frauen ihre Ohnmacht.
Über seine Inspiration zum Film sagte Rassulof: „Es gibt all diese sehr mutigen, jungen Frauen, die vor nichts Angst haben und die auf diese Weise diesen Film geschaffen haben, dank der Inspiration, die sie mir gegeben haben.“
„Ich möchte allen Frauen danken, die ihre Stimme erheben“
Die Französin Coralie Fargeat gewann für ihr Werk „The Substance“ den Preis für das beste Drehbuch. Der Science-Fiction-Film ist mit Demi Moore besetzt und setzt sich auf drastische Weise mit Schönheitsbildern auseinander. Auf der Suche nach ewiger Jugend verwandelt sich Moores Figur am Ende des Films in ein Monster. Die letzte halbe Stunde besteht nur noch aus Splatter-Szenen.
„Dieser Film handelt von Frauen, der Erfahrung von Frauen in der Welt und der Gewalt, die diese Frauen umgeben kann“, sagte Fargeat. „Ich glaube, dass Filme die Welt verändern können, und ich hoffe, dass dieser Film ein kleiner Schritt in diese Richtung ist. Ich möchte allen Frauen danken, die das Risiko eingehen, ihre Stimme zu erheben, um die Welt zu verbessern.“
Auch Miguel Gomes erzählt in seinem kunstvollen Schwarz-Weiß-Historienfilm „Grand Tour“ von einer Frau, die nicht auf sich sitzen lassen möchte, dass ihr Verlobter sie ohne Erklärung verlassen hat. Der Portugiese wurde für die beste Regie ausgezeichnet.
Preis für die beste Schauspielerin geht an vier Frauen
Und dann war da noch der Film „Emilia Pérez“, für den der französische Regisseur Jacques Audiard den Preis der Jury gewann. Das Musical erzählt von einem mexikanischen Kartellboss, der sein Geschlecht zur Frau angleichen lässt und anschließend versucht, frühere Verbrechen zu sühnen.
Ungewöhnlich: Gleich vier Schauspielerinnen aus dem Film teilen sich den Preis als beste Darstellerinnen: Karla Sofía Gascón, Zoe Saldana, Selena Gomez und Adriana Paz. Gascón ist die erste Transfrau, die die Auszeichnung erhält. „Es fühlte sich an, als würden sie zusammen eine glänzende Einheit bilden, und sie zu trennen, hätte die Magie dessen, was sie gemeinsam geschaffen haben, untergraben“, sagte Jury-Präsidentin Greta Gerwig am Samstagabend. „Ich glaube, das ist etwas, was wir in vielen Filmen gespürt haben: Dass es die Frauen gemeinsam waren. Das war etwas, das wir wirklich ehren wollten.“
Zweitwichtigster Film für junge indische Regisseurin
Um eine Gemeinschaft von Frauen geht es auch im Drama „All We Imagine as Light“, das die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals erhielt. Der Film der indischen Regisseurin Payal Kapadia erzählt vom Zusammenleben mehrerer Frauen in Mumbai. Die 38-jährige Filmemacherin gewann dafür den Großen Preis der Jury.
Schon zu Beginn des Festivals hatte ein Film über weibliche Stimmen Aufmerksamkeit erregt. Die französische Schauspielerin Judith Godrèche präsentierte ihren Kurzfilm „Moi aussi“. Der Film zeigt Menschen, die ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch schildern.
Zwei Frauen sprachen zudem auf der Preisverleihung den Gaza-Krieg an: Die libanesische Regisseurin Nadine Labaki, Mitglied der Wettbewerbs-Jury, wies auf der Bühne auf das Leiden von Frauen und Kindern in Gaza hin. Die Präsidentin der Kurzfilmjury, die in Brüssel geborene Schauspielerin Lubna Azabal, forderte die Freilassung der israelischen Geiseln und einen Waffenstillstand.
Nur drei Palmen-Gewinnerinnen seit 1946
Zeigt Cannes also, dass die Erfahrungen von Frauen in der Filmwelt sichtbarer geworden sind? Die Regisseurin Kapadia ist bei einem Urteil noch zögerlich. „Ich will gerne glauben, dass das wahr ist“, sagte sie. „Es ist wunderbar, dass mehr Filme von Filmemacherinnen, Technikerinnen, Kamerafrauen, Tontechnikerinnen gemacht werden. Wir brauchen noch viel mehr - aber der Wandel findet statt, langsam, aber sicher.“
Zugleich sagte sie: „Ich hoffe, dass wir in Frankreich mehr Filme von Regisseurinnen sehen werden.“ In diesem Jahrgang waren nur vier der 22 Werke im Wettbewerb aus weiblicher Hand. Eine Goldene Palme gewonnen haben überhaupt erst drei Frauen - seit 1946.