Sex Sex: Junger Mann arbeitet nebenberuflich als Callboy

Berlin/MZ - An diesem Abend soll es zwar um Sex gehen, aber wie ein männlicher Vamp wirkt Rafael (dessen echter Name hier unerwähnt bleiben soll) erst einmal nicht. Eher wie der jungenhafte Sunnyboy, der immer ein paar Jahre jünger aussieht, als er tatsächlich ist. Sportlich und mit einem freundlichen Grinsen betritt er die schicke Bar des Berliner „Steigenberger“. Jacke und Rucksack legt er auf einen der mächtigen, schwarzen Ledersessel. Er trägt Jeans und Hemd, etwas Gel im Haar, zwei Lederbänder ums Handgelenk. Und entschuldigt sich für die Turnschuhe - er ist mit dem Rad da. Sonst trägt er Leder. Den Dreitagebart jedoch hat er sich extra stehenlassen, so, wie er es auch vor seinen Dates tut. Die Frauen mögen das.
Und um nichts anderes geht es ja bei den Treffen, für die er sich stets besonders zurechtmacht: die Frauen. Rafael - 34, schlanke 1,82 Meter, Außenhandelskaufmann, Leipziger mit Wahlheimat Berlin und ein Mann mit jener Art Augen, in die sich Frauen gern vergucken - arbeitet nebenberuflich als Callboy. 400 Euro kostet es, wenn Frau zwei Stunden mit ihm verbringen will, 3.000 Euro für das Wochenende, buchbar über eine auf Escort-Männer spezialisierte Agentur. Mal ist er einmal, mal dreimal im Monat als solcher unterwegs - je nach Nachfrage.
Nicht nur Begleiter, sondern auch Liebhaber
Die Treffen beginnen so gut wie immer an Orten wie diesem, erzählt er: in noblen Hotelbars, geschmackvoll, neutral, anonym und unverfänglich. Und mit kurzem Weg ins Bett. Denn meist ist Rafael nicht nur smarter Begleiter, sondern auch Liebhaber. Und jedes Mal ein wenig aufgeregt: „Ich weiß ja vorher nicht genau, was mich erwartet.“ Der erste Kontakt entsteht, indem sie ihn erkennt - weil sie ihn sich auf Fotos ausgesucht hat. Er kennt vorab meist nur ihren Namen, den Treffpunkt und die geplante Dauer, höchstens noch Haarfarbe oder Alter - mehr nicht. Damit der Funke überspringen kann, ist ihm eines ganz wichtig, sagt Rafael und nippt an seinem Wasserglas: „Dass ich keine Rolle spiele. Jede Frau merkt, wenn man ihr etwas vorspielt.“ Für ihn seien diese Dates einfach schöne Abende, die er genießt - an schönen Orten wie eben Nobelhotels.
An sein erstes Mal als Escort-Mann vor ungefähr vier Jahren erinnert er sich genau: „Das war sehr schön: Sie war Anfang 30, Geschäftsfrau, sehr attraktiv.“ Schon vorher sei klar gewesen, dass es hier nicht nur um Begleitung, sondern ein „private date“ gehen sollte. Irgendwann habe er dann in der Hotelbar die Initiative ergriffen und „dezent gefragt, ob wir aufs Zimmer gehen wollen“. Sie wollte.
Seither hat Rafael noch die Wünsche vieler anderer Frauen erfüllt. Die meisten seien zwischen 30 und Ende 40. „Das geht von der toughen Geschäftsfrau, die in ihrer Firma immer den Ton angibt, bis zur Hausfrau, die einen reichen Ehemann hat und sich um nichts kümmern muss“, erzählt er. Fast immer gehe es um „ganz normalen Sex mit Zärtlichkeiten“. Selbstverständlich müsse man da auch Ausdauer mitbringen: „Im Bett gehört eine gewisse Professionalität dazu.“ Doch das allein sei es nicht, man brauche auch ein „Feingefühl für die Frau und wie es ihr geht“. Manchen fehle bei ihren Ehemännern oder als Singlefrau das Begehrt- und Verwöhntwerden.
Und wenn er eine Kundin mal nicht attraktiv findet? Dann könnte er natürlich ablehnen. Das aber sei ihm noch nie passiert. „Jede Frau hat doch etwas Hübsches an sich - auch, wenn sie vielleicht keine Modelmaße hat, dann aber womöglich schöne Augen, ein tolles Lächeln, eine aufregende Stimme“, sagt er voller Überzeugung. Rafael, der Charmeur. Einer, der den Frauen die Tür aufhält, der höflich ist und viel von der Devise hält: „Ein Gentleman genießt und schweigt“. Konkretes würde er nie ausplaudern, sagt der Escort-Mann, dem es stets ein wenig peinlich ist, wenn die Frau in der Hotelbar die Rechnung übernimmt. Doch das gehört wie die diskrete Geldübergabe im Umschlag zu Beginn des Treffens zum Geschäft. Privat sei er aber derjenige, der einlädt, betont er.
Auch Paare buchen Callboys
Gut aussehend, zuvorkommend: Männer wie Rafael sind ideal fürs Escort-Geschäft, sagt Michael B., dessen Agentur „Escorts4Ladies“ heterosexuelle Männer an Frauen und Paare vermittelt. Jeden Tag erhalte er um die zehn Bewerbungen potenzieller Begleiter, von denen aber nur etwa jeder Zehnte in die enge Wahl komme. Wichtig: „Er sollte attraktiv und eloquent, aber kein Selbstdarsteller sein, der einen egoistischen Eindruck macht.“ Schließlich dreht sich alles um die Frau. „Sie ist der Chef.“
Aus gut 100 Männern zwischen 25 und 55 Jahren kann Frau auf der Internetseite der Agentur auswählen. Von muskelbepackt bis zart, vom Personal Trainer bis zum Wissenschaftler ist jeder Typ dabei. Allen gemein, weil laut B. Auswahlkriterium: Sie sind auf das Callboy-Honorar nicht angewiesen. Das sichere einen gewissen Standard. Oft würden Escort-Männer Ende 30, Anfang 40 gebucht. Ein schöner Körper ist vorteilhaft, aber: „Die Frauen wollen nicht überstrahlt werden.“ Etwa drei Viertel der Buchungen für Einzel-Dates kämen „von solventen Frauen, die sich etwas gönnen wollen“. Auch Stammkundinnen gibt es. „Doch sie wechseln den Begleiter nicht so oft, wie es ein Mann tun würde.“ Etwa 70 Prozent der Aufträge stammten aber von Paaren. „Da geht es um eine Dreier-Erfahrung.“
Mitunter auch um eine mit noch mehr Beteiligten: Rafael etwa, der nach eigener Aussage meist für Einzel-Dates gebucht wird, wurde einmal vor dem Treffen mit einem Paar durchgegeben, er solle sich ein paar Latexsachen mitbringen. „Die musste ich mir erst einmal besorgen“, schmunzelt er und erinnert sich an diese ganz spezielle Party, bei der der 70. Geburtstag eines Kunden mit Lack und Leder gefeiert wurde: „Er hatte sich drei, vier Escort-Mädels gebucht. Und damit seine Frau, die deutlich jünger war als er, auch ein bisschen Spaß hat, wurde ich dazugebucht.“
Und dann erzählt er von seinem letzten Termin, einem Treuetest - auch so etwas gehört zum Repertoire: Im Auftrag eines Mannes flirtete er dessen Partnerin an. „Sie hat aber Stand gehalten“, sagt Rafael, der bislang mit etwa 50 Frauen Bett-Erfahrungen gesammelt hat. Bei seinen Escort-Einsätzen spielt er manchmal auch einfach den Begleiter für die betrogene Freundin, die ihren Ex eifersüchtig machen will. Zu den Auftraggeberinnen gehörte aber auch schon eine etwa 20-Jährige, die endlich ihren ersten Sex erleben wollte. Welche Geschichte auch dahinter steckt: „Ich mache mir darüber keine großen Gedanken“, sagt der ungebundene Mittdreißiger, der das Honorar für seine Dienste als „angenehmen Nebeneffekt“ sieht.
Durch eine Bekannte, die in dem Bereich arbeitete, sei er auf das Escort-Geschäft gestoßen. „Ich war neugierig auf das Abenteuer, die Bekanntschaften.“ So ist es bis heute. Nur seinen Eltern und besten Freunden habe er davon erzählt. „Die finden das nicht schlimm.“ Da seien die Reaktionen von Kollegen, die darauf aufmerksam wurden, teils anders gewesen.
Wie lange er das noch machen will? „Bis ich mal so eine Püppi wie da drüben durch die Gegend schieben will“, sagt er - und deutet auf einen Kinderwagen auf der Straße. Familie, Haus und all das wolle er auf jeden Fall. Aber nicht jetzt. „So wie es ist, ist es gut. Ich will mich gerade nicht verlieben.“ Eine Beziehung und dieser Job - das geht für ihn nicht zusammen. Ist es ein Traumjob? „Nein, aber der perfekte Nebenjob“, sagt Rafael. „Und eine schöne Möglichkeit, seine Wünsche auszuleben.“