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Serpula lacrymans Serpula lacrymans: Der Pilz des Jahres ist ein Feinschmecker

Von Klaus-Peter Voigt 04.03.2004, 09:06
Holzschutzexperte Christof Silz hält ein Stück Weidenholz mit den Frassspuren eines Weidenbohrers in seinem Holzwurmmuseum in Quedlinburg in die Kamera. (Foto: ddp)
Holzschutzexperte Christof Silz hält ein Stück Weidenholz mit den Frassspuren eines Weidenbohrers in seinem Holzwurmmuseum in Quedlinburg in die Kamera. (Foto: ddp) ddp

Quedlinburg/ddp. - Der Echte Hausschwamm hat es 2004 zu besonderen Ehren gebracht. Einer der heimtückischsten Schädlinge in Gebäuden ist von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zum Pilz des Jahres gewählt worden. Holzschutzexperte Christof Silz aus Quedlinburg begegnet ihm auf Schritt und Tritt. «Modernste Möglichkeiten und intensivste Bekämpfung haben dem Serpula lacrymans nicht den Garaus machen können», stellt er fest. Spezialisten wie er profitieren jedoch davon. Sanierungsaufträge wird es vermutlich noch lange geben.

Schon in der Bibel spielt der Hausschwamm eine Rolle, überrascht Silz den Laien bei seinen Erläuterungen. Im 14. Kapitel des 3. Buchs Mose (Levitikus) wird ausführlich über Schäden dieses Pilzes und deren Beseitigung berichtet. Das Grundprinzip der uralten Auslegung hat bis heute Bestand.

«Nur einmal braucht der scheinbar tote Fruchtkörper Feuchtigkeit und er kann sein Werk beginnen», erzählt Silz. In nahezu intelligenter Weise baut er sich dann regelrechte Wasserleitungen, sucht den Kontakt zur lebenserhaltenen Flüssigkeit. Einmal aufgeweckt, stoppt ihn kaum etwas. Selbst kleinste Haarrisse dienen als Schlupfloch und selbst unter Putz kann sich das Pilzgeflecht im schlimmsten Fall ausbreiten. Seine Sporen sind das eigentliche Übel. Durch sie kann er sich verbreiten und auch Sanierungen überstehen.

Einzig Kälte mag der Hausschwamm nicht. Bei weniger als 25 Grad Celsius stellt er sein Wachstum im Wesentlichen ein. Und er mag keinen Luftzug. Ein gut gelüfteter Keller bringt weit weniger Gefahren als ein dumpfes, muffiges Loch. Wichtigste Nahrungsquelle allerdings ist und bleibt das Holz. Mit Hilfe ausgeschiedener Enzyme entzieht er ihm die faserige Cellulose und lässt kleine Brocken einer braunen Substanz zurück. Gerade in der Heimatstadt von Christof Silz mit den an die 1400 Fachwerkhäusern trifft der Pilz auf ein üppiges Betätigungsfeld. Vor allem zu DDR-Zeiten war der Ausbreitung kaum Herr zu werden. Nur eine grundhafte Sanierung kann dem Hausschwamm Paroli bieten. Komplette Holzteile müssen ausgetauscht werden, mindestens 1,50 Meter Sicherheitsabstand vom letzten befallenen Rest aus sind einzuhalten. Die Sache wird aufwendig, einige zehntausend Euro kommen für eine Haussanierung sehr schnell zusammen.

Vorsicht und Schnelligkeit sind im Umgang mit dem Echten Hausschwamm angeraten. Wer auf eine «Selbstheilung» hofft, der hat schon verloren, bringt es Silz auf den Punkt. Selbst für den Experten in Sachen Holz ist jeder einzelne Fall schon eine Herausforderung. Allein die chemische Bekämpfung reicht meist nicht aus. Fugen müssen ausgekratzt werden, jeden noch so scheinbar unwichtigen Rest des befallenen Holzes gilt es sorgfältig zu entsorgen.

Silz nennt es eine Fehleinschätzung, dass sich der Schwamm nur in alten, desolaten Häusern breit macht. Selbst Neubauten können betroffen werden. Schlecht ausgebaute Dachböden bieten ihm durchaus ein Feld für sein Wirken oder schlecht isolierte Wände. Weiches Holz, so erläutert Silz, ist für den Feinschmecker ein Leckerbissen, der sich aber auch ohne Probleme über einen Eichenbalken hermacht. Manchmal dauert es vom Erwachen bis zum richtigen Schaden gerade einmal drei Monate.

Ohne das richtige Fachwissen sollte kein Zimmermann, Mauerer oder Ingenieur sein Glück beim Echten Hausschwamm versuchen. Silz hat allein seit der Wende an die 100 Sachkundige für den Holzschutz mit seinem Ingenieurbüro ausgebildet, davon 12 im vergangenen Jahr. Aber auch das wird nicht reichen, den Serpula lacrymans gänzlich aus den Häusern zu verbannen.