Musiktheater und Kulturpolitik Semperoper Dresden möchte regen Austausch mit dem Publikum
Die Semperoper gilt als Aushängeschild der sächsischen Kultur. Die Führung des renommierten Hauses liegt nun in den Händen von Nora Schmid. Die Schweizerin ist keine Unbekannte in Dresden.
Dresden - Die Sächsische Staatsoper Dresden will auch unter Leitung ihrer neuen Intendantin Nora Schmid international ausstrahlen und einen regen Austausch mit dem Publikum pflegen. Sie hoffe darauf, nach jeder Premiere mit dem Publikum „locker, zwanglos und wie selbstverständlich“ ins Gespräch zu kommen, sagte die Intendantin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
„Es wäre langweilig, wenn wir immer alle einig sind“
„Ich bin immer neugierig, wie andere etwas erleben. Es wäre langweilig, wenn wir immer alle einig sind und gar keinen Anlass haben, uns auszutauschen“, so Schmid. Schon zur ersten Vorstellung der neuen Spielzeit - Wagners „Fliegenden Holländer“ - hatte sie zum Verweilen im Foyer eingeladen - mit Erfolg.
Schmid sieht die Semperoper auch als wichtigen Standortfaktor für die Region. Es gebe in der sächsischen Regierung ein großes Bewusstsein, wofür die Semperoper stehe - nicht nur im künstlerischen Sinne, sagte die 45-Jährige. Als Ort der Begegnung habe man auch einen Auftrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. „Die Arbeit von Kulturschaffenden kann dazu beitragen, Gräben in der Gesellschaft wieder schließen zu helfen. Das ist ein Ansporn. Ich bin überzeugt, dass wir das können.“
Eine gespaltene Gesellschaft braucht Dialogbereitschaft
Wer ins Theater oder in die Oper gehe, so Nora Schmid, lasse sich auf ein kleines Abenteuer ein. „Man weiß nicht, wer heute neben einem sitzt und ob man mit diesen Menschen vielleicht ins Gespräch kommt. Auch wenn man eine andere Gesinnung und Einstellung hat, verbringt man einen gemeinsamen Abend und verspürt vielleicht auch die Lust, sich über die Vorstellung oder andere Themen zu unterhalten.“
Gerade in Zeiten einer gespaltenen Gesellschaft gelte es, dialogbereit zu bleiben und einander zuzuhören. „Eine Demokratie ist kein Selbstbedienungsladen. Sie bedeutet, sich einbringen zu müssen, es gibt Rechte und Pflichten.“
Schmid stammt aus der Schweiz und studierte in ihrer Heimatstadt Bern und in Rom Musikwissenschaft und Betriebswirtschaft. Ab 2007 war sie als Dramaturgin im Theater an der Wien tätig. Mit der Spielzeit 2010/2011 wurde sie Chefdramaturgin der Semperoper, 2012 zusätzlich Persönliche Referentin der Intendantin Ulrike Hessler. Nach deren Tod gehörte Nora Schmid zur geschäftsführenden Interims-Intendanz der Semperoper Dresden, bevor sie 2017 später die Oper Graz als Intendantin übernahm.
Aus Dresdens Musikgeschichte lässt sich immer wieder schöpfen
Inhaltlich möchte Schmid in Dresden die Arbeit ihrer Vorgänger fortsetzen und neue Akzente einbringen. „In der ersten Saison haben wir eine große Spannweite - von der Märchenoper bis zur Science-Fiction-Oper. Das werden wir vielleicht nicht in jeder Spielzeit im gleichen Maße abbilden“, betonte die Intendantin. Zum einen gebe es die lange Tradition der Semperoper und die reiche Dresdner Musikgeschichte, aus der man immer wieder schöpfen könne. Am 1. November bringt die Semperoper eine Neuinszenierung der Oper „Intermezzo“ von Richard Strauss heraus - 100 Jahre nach der Uraufführung des Werkes in Dresden.
Nach den Worten von Schmid befinden sich aber nicht nur die „Hausgötter“ Richard Wagner und Richard Strauss im Fokus. Es gehe zum anderen darum, auch die Ränder im Blick zu behalten, das Repertoire aufzufrischen und Lücken zu schließen. Charles Gounods „Roméo et Juliette“ etwa kommt im Mai 2025 auf die Bühne. Die letzte Premiere dieser Oper in Dresden datiert aus dem Jahr 1896. Bei der ersten Premiere dieser Spielzeit an diesem Samstag wird Arrigo Boitos Oper „Mefistofele“ gezeigt. Für Schmid passt die Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr ideal zu Dresden und in diese Zeit.
Auch Schauspielerin Martina Gedeck beteiligt
„Wir haben den großen zeitlosen Faust-Stoff, das Welttheater. Dieser Stoff konfrontiert uns mit grundlegenden Fragen unseres Seins“, betonte die Intendantin. Zugleich besitze das Stück viele Farben, die zur Musikgeschichte der Semperoper passen. Denn Boito habe Anklänge bei Wagner genommen. Mit „Mefistofele“ könne zudem die künstlerische Exzellenz des Hauses präsentiert werden - mit Sängerensemble, Chor, Kinderchor und der Sächsischen Staatskapelle. Das Orchester sei ein Alleinstellungsmerkmal der Semperoper. An der Aufführung ist auch die Schauspielerin Martina Gedeck beteiligt, die Originaltexte aus Goethes „Faust“ vorträgt.
Publikumsverhalten hat sich seit Corona verändert
Angesichts eines seit der Corona-Pandemie veränderten Publikumsverhaltens mit eher kurzfristigen Entscheidungen für einen Opernbesuch werde man künftig für bestimmte Stücke und Formate das Publikum gezielter ansprechen müssen, sagte die Intendantin. In jedem Fall solle der Besuch in der Semperoper auch künftig ein Gesamterlebnis bleiben.