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Selbsthilfegruppe Selbsthilfegruppe: Wenn das Kind im Knast landet

Von Janet Binder 04.09.2008, 08:56
Undine Schulz posiert in Oldenburg (Niedersachsen) vor dem Untersuchungsgefängnis. Nachdem ihr Sohn wegen eines Raubüberfalls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gründete Schulz eine Selbsthilfegruppe für Eltern, deren Kinder straffällig geworden sind. (Foto: ddp)
Undine Schulz posiert in Oldenburg (Niedersachsen) vor dem Untersuchungsgefängnis. Nachdem ihr Sohn wegen eines Raubüberfalls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gründete Schulz eine Selbsthilfegruppe für Eltern, deren Kinder straffällig geworden sind. (Foto: ddp) ddp

Oldenburg/ddp. - Dabei hatte sich ein Schuss gelöst, ein Menschwurde verletzt. Dennis bekam drei Jahre und neun Monate. Seine Mutterzerfleischte sich mit Selbstvorwürfen und vor Scham. «Ich bin krankgeworden», sagt die 48-jährige Oldenburgerin. In der Folge verlor sieihren Job als Hauswirtschafterin. «So konnte es nicht weitergehen.»Schließlich fasste sie sich und gründete die bundesweit ersteSelbsthilfegruppe für Eltern straffällig gewordener Kinder.

«Ich wollte mich austauschen mit Betroffenen», sagt diealleinerziehende Mutter von drei Kindern. Die Resonanz habe sieüberwältigt. Seit der Gründung des Vereins «Mein Kind im Knast - oderkurz davor (Kimka)« im September vergangenen Jahres meldeten sich bisMai fast 160 Eltern, danach zählte sie nicht mehr. »Es sind einfachzu viele«, sagt Schulz. Die Angehörigen kommen aus ganz Deutschland,deshalb will Schulz weitere Gruppen gründen. In Dresden, Itzehoe,Delmenhorst und Leer gibt es bereits konkrete Planungen.

Vielen Eltern werde der Boden so unter den Füßen weggerissen, wennihr Kind ins Gefängnis muss, dass sie nicht mehr ihr eigenes Lebenmeistern können. »Sie bekommen Depressionen«, hat Schulz dieErfahrung gemacht. Eines hätten die Eltern gemeinsam, die anriefen.»Sie haben sich immer schon um ihr Kind gekümmert.« Die Betroffenenkämen aus allen Schichten, es seien Professoren, Ärzte und Anwältedabei. «Die Frage nach dem Warum stellen sie sich immer wieder.» Eineabschließende Antwort gebe es nicht. Schulz weiß das aus eigenerErfahrung. Die kriminelle Karriere ihres Sohnes entwickelte sichschleichend.

Schulz redet mit den Verzweifelten, gibt konkrete Tipps. «Ich kannsie beruhigen», sagt die Mutter, die inzwischen von «Hartz IV» lebt.«Wenn die Eltern am Ende des Gesprächs sagen, es gehe ihnen schonviel besser, ist das wie ein Geschenk.» Sie selbst hatte diese Hilfenicht. Sie fühlte sich damals ausgegrenzt, dachte, jeder wüssteBescheid. »Als ob ich ein Schild auf der Stirn hätte: Mein Sohn istkriminell.« Manchmal bekam sie zu hören: »Hättest du mal besser aufdein Kind aufgepasst.«

Auch ihre beiden Töchter, damals 15 und 21 Jahre alt, hattenSchwierigkeiten. Sie konnten nicht begreifen, was ihr Bruder getanhatte. Ihnen gegenüber musste Undine Schulz stark sein, obwohl sie eseigentlich nicht war. Den Kontakt zu Dennis haben die drei immeraufrecht erhalten. Sie besuchen ihn regelmäßig in der JugendanstaltHameln. Demnächst will Schulz Fahrgemeinschaften für andere Elternorganisieren.

Zudem sucht sie nach einem großen renovierungsbedürftigen Haus,als Anlaufstelle der Straffälligen nach Verbüßung ihrer Strafe.Oftmals wollten weder die Eltern noch die Betroffenen die Rückkehrins Elternhaus. »Die jungen Leute brauchen eine Aufgabe, einePerspektive«, sagt Schulz. In dem Haus könnten sie in einerWohngemeinschaft unter Schulz' Leitung leben und es dabei instandsetzen. Doch für das Projekt fehlt Geld. »Es ist schwer, für so einTabuthema Sponsoren zu finden», sagt Schulz.