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Seitensprung Seitensprung: Ehrlichkeit kann Partnerschaft retten

Von Vivien Rehder 28.02.2007, 09:51
Erdbeben im Haus: Ein Seitensprung gehört zu den schlimmstmöglichen Erschütterungen, die Partner erleben können. (Foto: dpa)
Erdbeben im Haus: Ein Seitensprung gehört zu den schlimmstmöglichen Erschütterungen, die Partner erleben können. (Foto: dpa) Diagentur

Hamburg/Göttingen/dpa. - Obgleich fast jeder solche Fälle aus demBekanntenkreis kennt, kann und mag sich kaum ein Mensch vorstellen,dass der eigene Partner in einem fremden Bett landet. «EinSeitensprung gehört zum Schlimmsten, was in einer Beziehung passierenkann», sagt der Psychologe und Psychotherapeut Ragnar Beer, Leiterdes Projektes Theratalk an der Universität Göttingen.

Mit großer Wut und Enttäuschung reagieren vor allem Frauen, wennein Seitensprung ihres Partners herauskommt. Das zeigte eineBefragung des Instituts für Psychologie an der Göttinger Universitätmit 3334 Teilnehmern. 68 Prozent der betrogenen Frauen gaben an,wütend auf ihren Partner zu sein. Unter den Männern waren es nur 47Prozent. 40 Prozent der Frauen möchten ihren Partner für dasbestrafen, was er ihnen angetan hat, während bei den Männern nur 22Prozent dieses Verlangen verspüren.

«Betrogene Frauen sind weniger bereit, sich um den Erhalt derPartnerschaft zu bemühen und sehen weniger die guten Eigenschaftenihres Partners, als das bei Männern der Fall ist», sagt Beer. Dieschlimmste Folge von Seitensprüngen ist seiner Ansicht nach derVertrauensverlust - besonders dann, wenn der Ausrutscher oder dieAffäre unbeabsichtigt herauskommt. Wer seinen Fehltritt freiwilligeingesteht, kann in diesem Punkt noch einiges retten. «Zwar wird dasVertrauen auch bei einem gebeichteten Seitensprung erschüttert, aberweniger tief greifend als bei einem, der irgendwie aufgeflogen ist.»

Einmalige Ausrutscher, etwa in Folge eines Betriebsausflugs,sollten unter Umständen besser nicht gebeichtet werden, sagt derPsychologe und Paartherapeut Michael Thiel aus Hamburg. «Schweigenkann man, wenn klar ist, dass es nur versehentlich aus einer Launeheraus passiert ist und keine Bedeutung hat.»

Doch das typische Abenteuer für eine Nacht ist die Ausnahme -darin sind sich die Experten einig. «Viel häufiger sind Affären, dieüber Wochen und Monate anhalten», sagt Beer. Seitensprünge sind fastimmer ein Zeichen dafür, dass in der Partnerschaft etwas nichtstimmt, erklärt Thiel. «Zum Beispiel gibt es oft ein Ungleichgewichtder Mächte in Beziehungen», schildert der Paartherapeut. «Vor allemFrauen mit Kindern fühlen sich manchmal als das Aschenputtel, dassich allein um Haushalt und Familie kümmern und auf vieles verzichtenmuss.» Ein Seitensprung kann dann Balsam für das verletzte Ego sein,weil er den Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung erfüllt.

In anderen Fällen lässt zu viel Nähe die Liebe erlahmen. «Wenn manalles gemeinsam macht und über den Partner alles weiß, kann das fürden Reiz einer Beziehung tödlich sein», sagt Thiel. Oft gibt erst dergebeichtete Ausrutscher den Anstoß für einen längst überfälligenNeubeginn. So bekommt der Sündenfall einen positiven Aspekt: Er isteine Chance, gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten und sie stabilerzu machen. «Das funktioniert aber auf keinen Fall bei einembeabsichtigten Seitensprung», warnt Thiel. «Der Plan "ich gehe fremd,um meine Partnerschaft zu retten" geht nicht auf.»

Wer von einem Seitensprung des Partners erfährt, fühlt sich in derRegel zunächst als Opfer. Doch nach Ansicht der Experten ist eswichtig, sich von dieser Sichtweise zu lösen. «Auch wenn der einePartner sich für den Seitensprung entschieden hat und damit dieVerantwortung für die Folgen trägt, so hat der "Betrogene" meist auchdazu beigetragen, dass es in einer Beziehung so weit kommt», sagtChristoph Kröger, Psychologe an der Technischen UniversitätBraunschweig. «Nur wer sich das eingesteht, findet aus der Opferrolleheraus, kann die Probleme gemeinsam mit dem Partner anpacken, denFehltritt vergeben und die Liebe neu entfachen.»

Kröger bietet ein Therapieprogramm an, mit dessen Hilfe Paare dieFolgen eines Seitensprungs bewältigen können. «Nach einer Affärezeigen häufig beide Partner Symptome, wie sie nach dem Erleben einerNaturkatastrophe oder eines Verkehrsunfalls auftreten können», sagtder Experte. «Innere Bilder und Szenen tauchen im Kopf auf, wie derPartner sich mit der dritten Person vergnügt; beide leiden unterSchuldgefühlen, Angst oder Panik.»

Die Paartherapie zielt darauf, neues Vertrauen aufzubauen undSchwachstellen in der Beziehung aufzudecken. Wer betrogen wurde, mussbereit sein, Risiken einzugehen, und wer betrogen hat, muss zeigen,dass er Vertrauen verdient.

«Um die Partnerschaft zu retten, müssen sich beide in den andereneinfühlen und miteinander reden können», sagt Kröger. In vielenFällen mache erst eine Paarberatung das wieder möglich. Dort werdenRegeln für den Umgang miteinander aufgestellt. Das Ziel: BeidePartner lernen, die Situation zu verstehen, räumen Missverständnisseaus und können schließlich Schritt für Schritt wieder aufeinanderzugehen. Einfach ist das nicht, aber es lohnt sich - schon allein,damit ein Seitensprung nicht noch einmal passiert.

Internet: www.theratalk.de.

SERVICE-KASTEN: Beim Geständnis ehrlich sein

Wer sich nach einem Seitensprung zu einem Geständnis entschließt,sollte das konsequent tun, rät der Psychologe Ragnar Beer, Leiter desProjektes Theratalk an der Universität Göttingen. Das bedeutet: DieWahrheit sagen, nichts Wichtiges verschweigen und vor allem dieFragen des Partners ehrlich beantworten, auch wenn es schwer fällt.«Alles, was später noch herauskommt, belastet die Beziehung noch mehrund kann die Wiederaufbauarbeit wieder zunichte machen.»