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Seefahrt Seefahrt: Mit dem Schilfboot über den Nordatlantik

12.09.2009, 09:49
Experimentalarchäologe Dominique Görlitz steht vor einem Nachbau eines steinzeitlichen Schilfbootes am Museum für Natur in Gotha. (FOTO: DDP)
Experimentalarchäologe Dominique Görlitz steht vor einem Nachbau eines steinzeitlichen Schilfbootes am Museum für Natur in Gotha. (FOTO: DDP) ddp

Weberstedt/ddp. - DerTraum handelt davon, die Geschichtsschreibung zu verändern. «Wirunternehmen keine Reisen zum Mond oder Mars. Wir reisen in der Zeit»,sagt der gebürtige Thüringer, der sich selbst als«Experimentalarchäologe» bezeichnet.

Behutsam tätschelt der 43-Jährige den Rumpf der «Dilmun IV», einemBoot aus Schilf und Holz, sechs Meter lang, drei Meter breit. Miteinem doppelt so großen Modell, der «Abora IV» möchte Görlitz denAtlantik überqueren und beweisen, dass es bereits vor ChristophColumbus einen Seehandel zwischen Amerika und Europa gab.

«Die Ägypter waren bereits im 3. Jahrtausend vor Christus imBesitz der amerikanischen Tabakpflanze», sagt Görlitz, der überdieses Thema promoviert. Doch wie der Tabak nach Ägypten gekommensei, wisse niemand. Görlitz ist sich sicher: Es muss bereits vor 1492Fahrten mit Schilfbooten über den Nordatlantik gegeben haben.

Um dies zu belegen, wagte der in Chemnitz lebende Görlitz imSommer 2007 die Überfahrt mit der selbst konstruierten «Abora III»von New York über die Azoren zur Iberischen Halbinsel. Görlitzscheiterte damals nach 56 Tagen auf hoher See trotz modernerNavigationsausrüstung an einem «sturmreichen Wetter und an derschlechten Finanzierung des Projektes», wie er sagt.

Der Boden der «Abora III» sei bei einem Transport über 6000Kilometer beschädigt worden, durch Zollbestimmungen habe man es vielzu spät in New York übernehmen können und die Beschädigungen dadurcherst während der Fahrt entdeckt.

Doch Görlitz gibt nicht auf, er will aus seinen Fehlern lernen undverbucht «Abora III» als Anfangserfolg. «Wir haben damals bewiesen,dass wir mit dem Boot gegen die Strömungen ankommen.»

Eigentlich wollte Görlitz mit einem Großteil der alten Crew undeiner neuen «Abora» in diesem Sommer einen zweiten Versuch über denAtlantik wagen, doch wegen der Finanzkrise seien ihm zwei wichtigeSponsoren abgesprungen. «Ich starte erst wieder, wenn dieFinanzierung gesichert ist», sagt Görlitz. «Wir brauchen so vielKapital, dass wir das Boot in New York bauen können und es nichtwieder durch einen zu langen Transport beschädigt werden kann.»

Seit seiner Schulzeit beschäftigt sich Görlitz mit der Seefahrt.Zu DDR-Zeiten habe er bereits Schiffsmodelle nachgebaut - angeregtdurch den norwegischen Abenteurer Thor Heyerdahl, der mit seinenselbst konstruierten Schiffen waghalsige Atlantiküberquerungenunternahm. Nach der Wende keimte in Görlitz schließlich der Wunschauf, mit einem eigens konstruierten Boot Strecken auf dem Wasserzurückzulegen.

Als erstes großes Abenteuer wollte Görlitz 1990 die Insel Rügenmit einem Boot nach Heyerdahlscher Konstruktionsweise umrunden. «DasBoot war ganz und gar nicht steuerbar», sagt der Archäologe, dem dieUmrundung damals nicht glücken wollte. Daher konstruierte Görlitz eineigenes Modell. «Dilmun und Abora werden mit Seitenschwerterngelenkt», erklärt er und zeigt auf Holzleisten, die auch an der«Dilmun IV» befestigt sind. Dies habe vor ihm noch niemandherausgefunden.

Die Träume von Dominique Görlitz wurden von Jahr zu Jahr größer,die Schiffe, die er baute professioneller, aufwendiger undkostenintensiver. «Der Rumpf ist aus bolivianischem Schilf», sagt er.«Den haben die Indios vom Titicaca-See für uns gebaut.»

Mit der «Dilmun IV», die in Weberstedt zwischengelagert ist,unternimmt Görlitz einige Male im Jahr Touren, damit das Projekt«Abora IV» trotz Finanzkrise nicht in Vergessenheit gerät. In derOstsee habe er bereits trainiert, im Bodensee und bald soll die«Dilmun IV» im Starnberger See fahren. «Wir müssen Werbung machen»,betont der Abenteurer. Ohne Werbung könne die «Abora IV» nichtstarten. Ein Kinofilm und eine Ausstellung über die «Abora-Saga»seien in Planung. Auch potenzielle Crew-Mitglieder meldeten sichregelmäßig. Dann steigt Görlitz in sein Auto, startet den Motor undverkündet: «Ein wichtiger Termin mit einem Sponsoren in Gotha.»