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Seefahrt Seefahrt: Mit dem Schilfboot über den Atlantik

Von Nada Weigelt 11.07.2007, 18:14
Das zwölf Meter lange Schilfboot «Abora III» legt ab. (Foto: dpa)
Das zwölf Meter lange Schilfboot «Abora III» legt ab. (Foto: dpa) EPA

New York/dpa. - Das zwölf Meter lange Schilfboot, das nachsteinzeitlichen Felsbildern entstand, soll den Expeditionsleiter undseine zehnköpfige Mannschaft von Amerika nach Europa bringen - ohneHilfsmotor, ohne Beiboot. «Sonst könnten wir ja nichts beweisen. Daswäre Schmu», sagt Sabrina Lorenz. Die 26-jährige Studentin und das21-jährige «Nesthäkchen» Andrea Müller sind die einzigen Frauen inder Männercrew.

Zum Abschied am Pier 83 im New Yorker Hafen sind Freunde aus derHeimat des in Gotha geborenen Görlitz gekommen. Die Gruppe «Holz,Draht und Ziegen» spielt den «Abora-Blues», StadtplanungsleiterRoland Adlich überbringt die Grüße von Oberbürgermeister Knut Kreuch(SPD) und der amerikanische Explorer Club überreicht ein Andenken anden Norwegischen Seefahrer Thor Heyerdahl, der zuletzt Ende der 70erJahre den Ozean mit einem urtümlichen Gefährt überquert hatte. Dannmuss nur noch die große schwarz-rot-goldene Fahne gehisst werden undes heißt: «Leinen los.»

Wenn alles gut geht, wollen die Abenteurer Mitte August auf denAzoren einen Zwischenhalt einlegen und dann ins spanische Cádiz odergar auf die Kanaren weiterfahren, insgesamt eine Strecke von 4000Seemeilen. «Thor Heyerdahl ist nur von Europa nach Amerika gesegelt»,sagt Görlitz. «Wir wollen zeigen, dass es auch schon vor ChristophKolumbus möglich war, zum Ausgangsort einer Expeditionzurückzukehren.»

Ein Schlepper zieht die Abora zunächst aus dem hektischen Hafen.Auf Höhe der Freiheitsstatue setzt sie das Segel und nimmt auseigener Kraft die Fahrt auf. Schon am Nachmittag wartet der ersteSturm auf die winzige Nussschale. Aber Görlitz will nach zwei Monatenintensiver Vorarbeit seinen langjährigen Traum nicht noch einmalverschieben: «Die Mannschaft ist gestärkt und gut gerüstet. Wir sindjetzt ready to take off.»

Zwar ist der Kapitän noch in letzter Minute abgesprungen - wegendienstlicher Verpflichtungen, hieß es, aber Görlitz übernimmt dessenJob mit. «Wir werden das Schiff schon schaukeln», sagt Andrea. Derzwölf Tonnen schwere Bootsrumpf wurde von Aymara-Indianern amTitikakasee in Bolivien zusammengebaut - aus einem besonderen Schilf,ohne einen einzigen Nagel. Auch die Holzaufbauten sind mehr alseinfach: Zwei offene Kajüten, in der einen wird in Schichtengeschlafen, in der anderen gearbeitet. Eine Dusche gibt es nicht, imSchilfhäuschen am Bug steht ein Putzeimer mit einem wackeligen WC-Deckel darauf. Entsorgung bitte auf eigene Gefahr.

«Pro Person gibt es knapp vier Liter Wasser am Tag», erzähltSabrina. «Jeder kann selbst entscheiden, wie er es verbrauchen will -zum Trinken, Waschen oder Zähneputzen.» Und weil offenbar auch aufeinem Steinzeitboot die Rollen traditionell verteilt sind, hat siedas Kochen übernommen. «Ich habe ungefähr zwei Tonnen Lebensmitteleingekauft, aber sie sind gut versteckt. Die ersten zwei Wochen gibtes viel frische Sachen, Obst und Gemüse. Und dann müssen wir halt aufKonserven umsteigen.»

Mancher Schaulustige am Ufer ist gleichwohl skeptisch. «Ich hätteschon ein bisschen Angst», gesteht der zwölfjährige Stevie Parker,der mit seiner Mutter auf ein sicheres Touristenboot wartet. Und eineCrew-Helferin, die nicht mit auf die große Reise geht, hat Tränen inden Augen. «Wir winken hier so fröhlich», sagt sie, «aber wir wissen,dass es ein Albtraum wird.»