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Schweiz Schweiz: Mönche verkaufen nach Jahrhunderten Bernhardiner

Von Sabine Dobel 19.10.2004, 06:02
Mit dem Fässchen Schnaps um den Hals, dichtem Fell und treuherzigen Augen ist er die Legende der Bergrettung schlechthin. Der Bernhardiner buddelt demnach im tiefen Schnee nach Lawinenopfern, deren Lebensgeister er mit einem kräftigen Schluck Rum wieder erweckt. (Foto: dpa)
Mit dem Fässchen Schnaps um den Hals, dichtem Fell und treuherzigen Augen ist er die Legende der Bergrettung schlechthin. Der Bernhardiner buddelt demnach im tiefen Schnee nach Lawinenopfern, deren Lebensgeister er mit einem kräftigen Schluck Rum wieder erweckt. (Foto: dpa) KEYSTONE

Martigny/dpa. - Mit dem Fässchen Schnaps um den Hals, dichtemFell und treuherzigen Augen ist er die Legende der Bergrettungschlechthin. Der Bernhardiner buddelt demnach im tiefen Schnee nachLawinenopfern, deren Lebensgeister er mit einem kräftigen Schluck Rumwieder erweckt. Jetzt soll die Wiege des tapferen SchweizerNationalhundes, die traditionelle Zucht auf dem Großen St. Bernhard-Pass, verkauft werden. Die Mönche des in 2470 Metern Höhe gelegenenHospizes, welche die Hunde jahrhundertelang gezüchtet haben, schaffendie Arbeit nicht mehr. Man warte auf Kaufangebote, heißt es dortoben. Angeblich liegen bereits die ersten Offerten auf dem Tisch,sogar aus dem Ausland soll es Interessenten geben.

Bernhardiner-Freunde aus aller Welt bangen nun um die Zukunftihrer Lieblinge. Er erhalte zahlreiche besorgte E-Mails, berichtetder Präsident des Schweizerischen St. Bernhard-Clubs, Rudolf Thomann.«Viele schreiben: Die Zucht darf nicht verschwinden», berichtetThomann. «Man macht sich da richtig Sorgen.» Der Club will nun dieGründung einer Stiftung vorantreiben, um die Traditionszucht zuübernehmen. Denn auch bei einem Verkauf soll die Zucht am selben Ortbestehen bleiben. Rund 20 von insgesamt 80 Welpen aus dem Alpenlandwerden jährlich vom Hospiz in alle Welt verkauft, damit ist derZwinger am Großen St. Bernhard auch der größte in der Schweiz.

Der Mythos vom Rettungshund entstand, als im 18. JahrhundertHandelsreisende über den Pass kamen und Zuflucht im Hospiz suchten.Bei Schneestürmen gingen die Klosterbrüder hinaus, um mit den Hundenverirrte Wanderer zu suchen. Nachdem um 1800 Napoleon mit seinenSoldaten den Pass überquert hatte, verbreiteten sich die Erzählungenüber zahlreiche durch die Hunde dem Weißen Tod entrisseneMenschenleben in ganz Europa.

Als Urvater gilt der treue Barry, der vor gut 200 Jahren lebte und40 Menschen vor dem sicheren Tod bewahrt haben soll. Als größteHeldentat wird ihm die Rettung eines kleinen Jungen zugeschrieben,den er halberfroren in einer Grotte gefunden und auf seinem Rückenzum Hospiz gebracht haben soll. Angeblich standen die St. Bernhards-Hunde so im Dienste Gottes, dass sie vor ihrem Futternapf bis zumAmen des Tischgebets warteten. Derartige Geschichten gehören aberebenso in den Bereich der Legende wie das Fässchen Rum zur ErquickungGeretteter.

Viel mehr als die Hunde ist der Orden auf dem Pass vom Aussterbenbedroht. Heute leben nur noch vier Mönche auf dem Hospiz. «Leider istdie Zahl der Chorherren des Großen St. Bernhard seit einigen Jahrenbeschränkt, es fehlt am Nachwuchs, um allen ihren Aufgabennachzukommen», erläutert der mit dem Verkauf betraute KoordinatorPierrot Troillet. Die Mönche müssten sich nun ganz auf ihre zentraleseelsorgerische Aufgabe konzentrieren - das bedeutet das Aufgeben derHundezucht. «Wir haben andere Dinge zu tun», sagt einer der Brüder.

Über bereits vorliegende Kaufangebote hält sich die Kongregationbedeckt, auch ein Kaufpreis ist nicht bekannt. Anfang November werdees vielleicht nähere Einzelheiten geben, sagt Troillet.

Die Mönche selbst können die Aufregung um den geplanten Verkaufder traditionellen Zucht nicht verstehen. «Man macht zu viel Lärm umdie Sache.» Schließlich müsse ein künftiger Käufer den Fortbestandder Zucht garantieren. Und die Tiere sollen den Sommer über an ihremangestammten Platz in der Nähe des Hospizes auf dem Pass bleiben, wosie als Attraktion für Touristen gelten.

Tausende Schaulustige kommen an schönen Tagen auf den Pass, um dieTiere und das anliegende Museum zu besuchen. In Souvenirläden sindBernhardiner in Plüsch und Plastik in allen Größen und Farben zuhaben. Bergretter ist der Hund allerdings nicht mehr. «Man brauchtihn nicht mehr als Lawinenhund», sagt der Präsident der SchweizerBernhardiner-Zuchtkommission, Armin Anderegg. Nach menschlicherSchönheitsvorstellung mit kurzer Schnauze, imposantem Kopf und bis zu80 Kilogramm Gewicht gezüchtet sind viele Hunde heute viel zu behäbigfür die Arbeit im Gebirge - und zu schwer für den Transport perHelikopter an einen Lawinenort.

Die Hundelegende «Barry» - präpariert und in einem Glaskasten gesichert, steht der berühmteste Bernhardiner der Schweiz im Naturhistorischen Museum in Bern. (Archivfoto vom 21.02.2001: dpa)
Die Hundelegende «Barry» - präpariert und in einem Glaskasten gesichert, steht der berühmteste Bernhardiner der Schweiz im Naturhistorischen Museum in Bern. (Archivfoto vom 21.02.2001: dpa)
dpa