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Schulkleidung Schulkleidung: Einheitslook als Weg zum neuen Gemeinschaftsgefühl

Von Helen Hoffmann 22.08.2006, 06:17
Als erste brandenburgische Schule hat die Max-Dortu-Grundschule in Potsdam Schuluniformen eingeführt. (Foto: dpa)
Als erste brandenburgische Schule hat die Max-Dortu-Grundschule in Potsdam Schuluniformen eingeführt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - «Ichschätze, dass derzeit rund 60 Schulen an einem Konzept arbeiten»,sagt Studienrätin Karin Brose, die mit ihrem Buch «Schulkleidung istnicht Schuluniform» einen Leitfaden zur Einführung geschrieben hat.In der Politik ist Schulkleidung immer wieder ein Thema. Jüngsthatten zwei Bonner Schülerinnen, die in Burkas verschleiert zumUnterricht gekommen waren, die Debatte neu entfacht.

«Wir haben uns für eine modische Kollektion in blau und weißentschieden», sagt Rektor Thomas Höchst, dessen Regionale Schule inContwig (Rheinland-Pfalz) künftig 15 verschiedene Oberteile mitSchullogo anbietet. In Absprache mit den Eltern soll die Kleidung fürFünft- und Sechstklässler verpflichtend sein, für alle anderenfreiwillig. «Wir wollen das von unten her wachsen lassen.»

Damit folgt die Gesamtschule den Erfahrungen von Brose. Auch siebegann, als sie im Jahr 2000 erstmals in Deutschland Schulkleidungeinführte, mit einer fünften Klasse. Mittlerweile haben sich alleSchüler der Haupt- und Realschule in Hamburg-Sinstorf eingedeckt.Rund 90 Prozent tragen die Oberteile täglich. «Schulkleidung mussauch Spaß machen», sagt die Lehrerin und erzählt, dass derzeit rund30 Oberteile in blau und weiß zur Auswahl stehen.

Seit der Einführung hat sich Brose zufolge vor allem dasZusammengehörigkeitsgefühl geändert. Nun gebe es ein Wir-Gefühl.Schulkleidung sei zudem ein Mittel, um Chancengerechtigkeit zugewährleisten: «Sie sehen nicht mehr, wer aus einer Arzt- und wer auseiner Hartz IV-Familie kommt.» Auch «pubertäres Gezicke» höre auf.

Ähnlich gute Erfahrungen hat die Haupt- und Realschule Friesenheim(Baden-Württemberg) gemacht, die seit Juli 2005 Oberteile in fünfverschiedenen Farben anbietet. «Das Klima hat sich deutlichgeändert», sagt Schulleiter Günter Behre. «Den Laufsteg Schule gibtes nicht mehr.» Die Jugendlichen identifizierten sich nun verstärktmit ihrer Schule. «Sie sehen und fühlen, dass sie zusammengehören.»Besonders die Fünft- und Sechstklässler seien begeistert.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht in derEntwicklung eine Gegenbewegung zur Ellenbogenmentalität. «Es scheintein Bedürfnis nach Gemeinschaftserleben zu bestehen. Junge Leutewollen sich offenbar mit ihrer Schule identifizieren», sagt diestellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer. Hohen Erwartungengibt sie eine Absage. «Das ist nicht die Lösung aller Probleme.»Schulkleidung müsse zudem immer freiwillig sein.

Unter Bundes- und Landespolitikern wurde das Thema Schulkleidungjüngst im Zusammenhang mit der Integration von Ausländern debattiert.Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nannte einheitlicheKleidung eine «einfache Lösung zur Konfliktvermeidung». Damit könntennicht nur die Burkas, sondern auch Probleme, die sich durch sozialeUnterschiede ergeben, beseitigt werden. Auch BundesbildungsministerinAnnette Schavan (CDU) sprach sich für die Einführung aus.

Ein Gesetz ist indes kaum zu erwarten. Denn neben rechtlichenBedenken - die Individualität der Kleidung ist durch das Grundgesetzgeschützt - hat das Bild uniformierter Jugendlicher im Dritten Reicheine begründete Abneigung gegen Einheitskleidung erzeugt.Studienrätin Brose ist dennoch davon überzeugt, dass sichSchulkleidung durchsetzen wird. «Der Gedanke, gemeinsam etwas zuschaffen, wächst.»