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Berlin Schülerrekord an Schulen - Lehrermangel bleibt ein Problem

Berlin hat neue Schulen bekommen, aber auch mehr Schüler. Im neuen Schuljahr ist manches neu. Alte Probleme sind indes nicht gelöst. Und die Ergebnisse von Vergleichsarbeiten sind mehr als ernüchternd: Jeder dritte Drittklässler kann kaum lesen und rechnen.

Von dpa 23.08.2023, 13:00
Ein Lehrer unterrichtet in einem Klassenzimmer.
Ein Lehrer unterrichtet in einem Klassenzimmer. Marijan Murat/dpa/Symbolbild

Berlin - Im neuen Schuljahr lernen in Berlin mehr Schüler als je zuvor. An den allgemeinbildenden Schulen stieg die Zahl um rund 6500 auf 395.110. Hinzu kommen 80 180 Berufsschüler, rund 1100 mehr als vor einem Jahr. Das teilte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Mittwoch mit Blick auf das neue Schuljahr mit, das in der kommenden Woche beginnt.

Der Zuwachs ist nicht zuletzt auf ukrainische Kriegsflüchtlinge zurückzuführen. Nach Angaben der Senatorin lernen rund 7500 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine an Berliner Schulen, darunter etwa 7000 an allgemeinbildenden Schulen. Insgesamt werden 11.175 geflüchtete Schüler in 914 Willkommensklassen unterrichtet - ein Plus von gut sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weitere rund 1100 junge Flüchtlinge stehen auf Wartelisten, wie es hieß.

Die Zahl der Schulanfänger sinkt etwas: Im neuen Schuljahr sind es 37.470, rund 700 weniger als vor Jahresfrist. Zu den 700 öffentlichen Schulen im Bestand sind sechs hinzugekommen, nunmehr gibt es also 706. Inklusive der Einrichtungen in freier Trägerschaft hat Berlin 1044 Schulen. Zum Schuljahr 2023/2024 wurden rund 4000 neue Schulplätze geschaffen.

Der Lehrkräftemangel ist in Berlin - wie in anderen Bundesländern - weiter ein drängendes Problem. Wie Günther-Wünsch erläuterte, wurden auf 2444 Vollzeitstellen 3225 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, viele arbeiten Teilzeit. Das sind 144 Pädagogen mehr als vor einem Jahr und nach den Worten der Senatorin mehr als zunächst erwartet. Unter den neuen Beschäftigten sind etliche Quereinsteiger. Nach Angaben der Bildungsgewerkschaft GEW haben zwei Drittel der neuen Lehrkräfte weder einen Lehramtsabschluss noch ein Schulfach studiert.

Wie groß das Defizit ist, also die Lücke zwischen dem Bedarf an Lehrkräften und den tatsächlich besetzten Vollzeitstellen, konnte die Senatorin nicht beziffern. Im Mai hatte sie mit einem Defizit von 1460 Stellen gerechnet, 500 mehr als vor einem Jahr. Die genaue Zahl stehe erst im September fest, so Günther-Wünsch. Sie rechne damit, dass der Wert unter der seinerzeit erwarteten Zahl liege.

Vor dem Hintergrund von Vergleichstests, bei denen Berliner Schülerinnen und Schüler im Bundesvergleich regelmäßig schlecht abschneiden, nannte Günther-Wünsch bessere Bildungsqualität als eines ihrer zentralen Ziele. Das Erreichen von Regelstandards in Lesen, Schreiben und Rechnen in den ersten Grundschuljahren für alle Schüler müsse oberstes bildungspolitisches Ziel in Berlin werden.

Momentan sind Berlins Schüler davon weit entfernt. Jeder dritte Drittklässler kann kaum lesen und rechnen, wie Vergleichsarbeiten in der dritten Jahrgangsstufe im vergangenen Schuljahr ergaben. Laut Bildungsverwaltung erreichten in Deutsch-Lesen knapp 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht die Mindeststandards. In Deutsch- Sprachgebrauch waren es sogar 46 Prozent. In Mathematik kamen 37 Prozent nicht auf das Mindestniveau.

Ebenfalls hochproblematisch sind Ergebnisse von Vergleichsarbeiten in der achten Klassenstufe. Hierbei gelang es 61 Prozent nicht, simpelste Aufgaben in Deutsch im Zusammenhang mit Lesen zu lösen. In Mathematik kamen 77 Prozent beim Thema Messen und 65 Prozent beim Thema funktionaler Zusammenhang nicht auf Mindeststandards. An den Gymnasien waren die Ergebnisse laut Bildungsverwaltung etwas besser.

„Diese Ergebnisse sind für mich nicht hinnehmbar“, erklärte Günther- Wünsch zu den Vera 3 und Vera 8 genannten, bundesweit regelmäßig erhobenen Vergleichstests.

Sie plant unter anderem sogenannte Funktionsstellen an Grundschulen für Mathematik und Deutsch. Kurzfristig greifen sollen Maßnahmen wie Projekttage, in die Inhalte des Deutsch- und Mathe-Unterrichts integriert werden. Geplant ist auch, die Mindestanzahl an Klassenarbeiten in Deutsch und Mathematik von drei auf vier pro Schuljahr zu erhöhen.

„Um mit dieser Bildungskrise fertig zu werden, muss der gesamte Senat Bildung zur Priorität machen“, erklärte GEW-Landeschef Tom Erdmann. Nötig seien eine gemeinsame Kraftanstrengung und mehr Investitionen. Insbesondere in Grundschulen müsse alles dafür getan werden, dass voll ausgebildete Lehrkräfte die Klassenleitung innehaben. Auch sei eine „Steuerung zur Abfederung von Ungleichheiten“ nötig. „Denn der Lehrkräftemangel tritt besonders dort zutage, wo die sozialen und pädagogischen Herausforderungen am größten sind.“

Insgesamt gibt es an Berlins Schulen 32.423 Vollzeitstellen für Lehrerinnen und Lehrer. Momentan arbeiten dort 41.480 Menschen als pädagogisches Personal, darunter 34.525 Lehrkräfte und 5363 Erzieherinnen und Erzieher.

Günther-Wünsch informierte auch zum Stand der Verbeamtung von Lehrkräften, die Berlin vor einem Jahr wieder eingeführt hatte, um mehr Pädagogen zu gewinnen. Demnach wurden bis Ende Juli 400 Lehrkräfte, die schon an den Schulen arbeiten, verbeamtet. Weitere 9500 bisher angestellte sogenannte Bestandslehrkräfte wollen Beamte werden und haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Senatorin kündigte an, dass ein Nachteilsausgleich für Pädagogen, die etwa aus Altersgründen nicht verbeamtet werden können, bald komme.