Salzlandkreis Schmähplastik an Kirche in Calbe
Calbe (dpa/sa) - Mit Informationsmaterial und einer Lernplattform will die Gemeinde der St. Stephani-Kirche in Calbe über eine Schmähplastik aufklären, die derzeit verhüllt an der Außenfassade des Gotteshauses zu sehen ist. „Die Judenfeindschaft, die in diesem
Bildwerk zum Ausdruck kommt, ist inakzeptabel und entspricht nicht dem, was die Kirchengemeinde in Calbe heute verkünden möchte“, erklärte die Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Liane
Hilfert, am Dienstag in Calbe (Salzlandkreis). Eine der Wasserspeierfiguren auf den Strebepfeilern der Kirche zeigt einen Mann, der Teile seines Gesichts an den Hintern eines Schweins drückt. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein.
Durch die bereitgestellten Informationen soll eine Möglichkeit zur kritischen Einordnung geschaffen werden, hieß es. Zudem soll über die Geschichte und Aktualität christlicher Judenfeindschaft aufgeklärt werden. Die Gemeinde hatte die Maßnahmen gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt erarbeitet.
Nach Angaben der Kirchengemeinde stammt die Skulptur aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Da sie Stereotype des modernen Antisemitismus in sich aufnehme, sei das uneingeschränkte Zeigen der Plastik nicht zumutbar. Inwiefern die Sichtbarkeit dauerhaft eingeschränkt werden soll, sei derzeit noch nicht klar. Momentan ist die Figur verhüllt, die denkmalschutzrechtliche Genehmigung dafür laufe jedoch im Februar 2024 aus, hieß es.
2020 war bereits über die Plastik diskutiert worden, als sie im Januar im Zuge von Sanierungsarbeiten abgenommen, anschließend im Juni jedoch wieder an der Außenfassade angebracht wurde. Die jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt sowie die Evangelische Kirche Mitteldeutschland hatten die Entscheidung der Denkmalbehörde zur Wiederanbringung kritisiert.
Auch an anderen Kirchen in Sachsen-Anhalt sind sogenannte „Judensau-“Schmähplastiken zu sehen - unter anderem in der Lutherstadt Wittenberg und in Zerbst im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Auch die Gemeinden dort klären über die Plastiken und deren Bedeutung und Geschichte auf.