Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein: Wattenmeer-Nationalpark wird 20 Jahre alt

Husum/Tönning/dpa. - Seit genau 20 Jahren genießt die «Küsten-Wildnis» zwischen der dänischen Grenze und der Elbmündung am 1.Oktober als Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer denhöchsten Naturschutzstatus in Deutschland.
Im Watt wimmelt das Leben. Ursache ist unter anderem die Flut, diezwei Mal täglich Rohstoffe und Nahrung bringt. Auf einem QuadratmeterWattboden leben neben Muscheln, Schnecken und Würmern Millionen vonKieselalgen und tausende kleinster Krebse. Auf einer Fläche von 100mal 100 Metern haben die Tiere eine Biomasse von drei bis zwölfTonnen Gewicht: «Das ist mehr als im Urwald», sagt diePressesprecherin des Nationalparkamtes in Tönning, Monika Hecker.Gleichzeitig ist der Park auch Lebensraum für Menschen, Attraktionfür Touristen und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Das Schutzgebiet ist fast doppelt so groß wie das Saarland unddamit nach Angaben des Nationalparkamtes das größte Reservat zwischendem Nordkap und Sizilien. 1986 erklärte auch Niedersachsen seineKüste zwischen Ems und Elbe zum Nationalpark, 1990 kam dasHamburgische Wattenmeer dazu.
Das schleswig-holsteinische Watt ist auch Heimat eines derältesten Ökosysteme der Erde: Das so genannte Farbstreifensandwatt anbestimmten Strandabschnitten von Amrum und St. Peter-Ording. Esbesteht aus dünnen Mikrobenmatten: Eine grüne Schicht Cyanobakterien,eine purpurrote Schicht Schwefelpurpurbakterien und eine schwarzeSchicht Sulfat reduzierender Bakterien. «Die Tierarten desFarbstreifensandwatts kommen in dieser Zusammensetzung nirgendwo aufder Welt wieder vor», betont Hecker.
Die 441 000 Hektar große Region aus Wattflächen mit ihren Rinnenund Prielen, Sandbänken, Dünen und Salzwiesen darf sich per Gesetzvom Menschen weitgehend unbeeinflusst und natürlich entwickeln. Dabeiliegt die Betonung auf «weitgehend». Denn die Inseln und die fünfgroßen Halligen mitten im Nationalpark Schleswig-HolsteinischesWattenmeer gehören nicht dazu. Nicht angetastet wurden bis heuteneben traditionellen Naturnutzungen wie Krabben- undMuschelfischerei, Kies- und Sandabbau sowie Schlickentnahme auchErdölförderung, Tourismus, Küstenschutz, Schiffsverkehr, Beweidung,Flugverkehr und militärische Nutzung.
Trotzdem regte sich schon mit Beginn der ersten Planungenerbitterter Widerstand nicht nur in den knapp 70 Gemeinden, die anden Nationalpark grenzen. Viele Bewohner wollten nicht in einer«Wildnis» gemeinsam mit Robben und anderen Tieren leben, sondernpochten auf ihre eingedeichte Kulturlandschaft. Sie bekämpften denNationalpark - auch mit gewalttätigen Protestaktionen undDemonstrationen mit Kutterkonvois.
Der Streit dauert bis heute an. Zwar sind nach einer Studie desNationalparkamtes 87 Prozent der Küstenbewohner stolz auf «ihren»Nationalpark. Doch auch 20 Jahre nach seiner Gründung gibt es immernoch erbitterte Gegner - meist sind es unmittelbare Nachbarn desNaturreservats.
Dabei dient der Nationalpark nicht nur dem Schutz des Wattenmeersund seiner 3200 Tierarten. «Er ist auch touristisches Kapital»,betont Hans-Ulrich Roesner vom WWF-Projektbüro in Husum: «DerNationalpark bietet ganz besondere Naturerlebnisse für Millionen vonBesuchern und ist deshalb eine der tragenden Säulen des Tourismus ander Nordseeküste.» So habe die Schutzstation Wattenmeer seit derGründung des Nationalparks bei rund 90 000 Führungen mehr als zweiMillionen Menschen durch die Salzwiesen, Dünen, Wattgebiete undStrände geleitet.