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Sachsen Sachsen: Stephanies Peiniger soll für immer hinter Gitter

12.12.2006, 09:05
Staatsanwältin Liane Pospischil steht am Dienstag (12.12.) im Dresdner Landgericht. (Foto: dpa)
Staatsanwältin Liane Pospischil steht am Dienstag (12.12.) im Dresdner Landgericht. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Am vorletzten Tag im Prozess gegen den Entführer und Peiniger der damals 13-jährigen Stephanie im Landgericht Dresden kochten die Emotionen noch einmal hoch. Die schon absehbaren Forderungen nach oder nahe der Höchststrafe für den Angeklagten Mario M. gingen am Dienstag in der Kritik am Verhalten derNebenklage während der Hauptverhandlung fast unter. Staatsanwältin Liane Pospischil und Verteidiger Andreas Boine verurteilten die Vermarktung von Stephanies Schicksal, öffentliche Vorverurteilung und Herabwürdigung des Angeklagten sowie Vorab-Veröffentlichungen von Prozessakten in den Medien.

Pospischil forderte 14 Jahre und neun Monate Gefängnis für MarioM., Nebenklage-Anwalt Ulrich von Jeinsen plädierte auf dieHöchststrafe von 15 Jahren. Verteidiger Boine verzichtete auf einen Strafantrag, sieht jedoch das Strafmaß im oberen Drittel des für Geiselnahme Möglichen. Aus Sicht von Anklagebehörde und Nebenklage ist der 36-Jährige eine Gefahr für die Gesellschaft und muss daher nach Verbüßung der Strafe in Sicherungsverwahrung. Boine äußerte hingegen Zweifel daran, dass die Voraussetzungen dafür gegeben seien.

Die psychische Störung seines Mandanten habe die Entwicklung zurTat beeinflusst, sagte Boine. Er hält Haft und Sozialtherapie für denbesseren Weg bei Mario M., der inakzeptabel als «Bestie» und«Monster» vorverurteilt worden sei. «Ein solches Verfahren bringtbesondere Emotionen hervor, weil es an die Urängste der Menschenrührt», sagte Boine. «Aber auch ein Täter, der eine schwereSexualstraftat begangen hat, verdient den Schutz des Grundgesetzesund Menschenwürde.» Das sehe er in diesem Prozess nichtgewährleistet.

Diese Kritik von Boine richtete sich auf ZDF-Moderator Johannes B.Kerner, dessen Zeugenvorladung das Gericht abgelehnt hatte. Im TV-Interview mit Stephanie habe er das Mädchen im Zusammenhang mit demFall Kampusch bewusst zur Aussage geführt, dass sie den Tod ihresPeinigers wünsche. «Es ist unmöglich, dass er das Leben einesMenschen zur rhetorischen Verfügungsmasse macht.» Diese«unverschämte» Grenzüberschreitung sei «im Namen des Volkes» zuberücksichtigen.

Mario M. bedauere seine Tat glaubhaft, wolle eine Therapie und ansich arbeiten, fügte Boine hinzu. «In diesem Saal geht es nicht umeine Privatsache, sondern darum, Recht zu sprechen in eineröffentlichen Angelegenheit.» Würden der berechtigte Wunsch einesOpfers zum Maßstab und der Täter zum Hassobjekt gemacht, führe daszur Verrohung der Gesellschaft, warnte der Anwalt. InterneUnterlagen, die er der Nebenklage gegeben habe, seien eine Wochespäter im «Spiegel» nachzulesen gewesen. Der auch mit den buntenMedien verbündete Nebenklage-Anwalt habe den Boden einesrechtsstaatlichen Verfahrens verlassen und den Prozess gefährdet.

Mario M. verfolgte die Ausführungen nahezu reglos, den Kopf aufdie rechte Hand gestützt. Am Zittern seiner linken Hand war seineAufregung erkennbar. «Ich möchte sagen, dass das, was ich getan habe,mir Leid tut», sagte der arbeitslose Anlagenbauer leise. Die Stilleim Gerichtssaal war gespenstisch, als er Stephanie und ihre Familieum Verzeihung bat. «Ich habe Stephanie entführt, weil ich mir eineFamilie schaffen wollte, und nicht bedacht, dass ich damit eineandere Familie zerstöre.»

Für Stephanies Vater, der bei der Schilderung des Martyriums derTochter mehrfach mit den Tränen kämpfte, ist die Reue wertlos. «Erhat so viel versprochen.» Mario M. suche damit nur sein Strafmaß zulindern, sagte Anwalt von Jeinsen. «Er hat Stephanie gequält, bisNichtquälen zur Wohltat wurde.» Die heute 14-Jährige brauche für einenormale Entwicklung Therapien, die von keiner Krankenkasse bezahltwürden. «Da müssen Sie Leute ansprechen», verteidigte er den Besuchbei der TV-Sendung «Johannes B. Kerner» sowie Auftritte beiVeranstaltungen von Hilfsorganisationen. Die Familie hofft nun aufeine faires Urteil an diesem Donnerstag. «Wir erwarten, dass er fürimmer hinter Schloss und Riegel verschwindet.»