Sachsen Sachsen: Karl Marx jetzt auch auf Likörflaschen

Chemnitz/dpa. - Gemessen an den Souvenirs ist derPhilosoph Karl Marx (1818-1883) immer noch das Aushängeschild vonChemnitz - jener Stadt, die von 1953 bis 1990 seinen Namen trug. Dasüberdimensionale Monument seines Kopfes in der Innenstadt aus demJahre 1971 ist 17 Jahre nach der Wiedervereinigung zweifellos immernoch das beliebteste Fotomotiv der Stadt.
Direkt werben will Chemnitz aber nicht mehr mit dem «Nischel», wieder sächsische Volksmund für Kopf sagt. Der Geschäftsführer derTourismusgesellschaft CMT, Michael Quast, trimmt das Stadtmarketingauf den neuen Leitspruch «Stadt der Moderne». Damit soll an diewirtschaftliche und kulturelle Blütezeit der Industriestadt Anfangdes 20. Jahrhunderts erinnert werden. Zugleich spiegele der Sloganauch den Aufbruch nach dem Ende der DDR wider. Da passt dieBronzeplastik nicht mehr ganz ins Konzept. «Solange die Touristen amMarx-Monument interessiert sind, werden wir auch an den Souvenirsfesthalten», erklärt Quast.
Ihr Image als einstige sozialistische Musterstadt vermarktetChemnitz inzwischen mit einer Portion Humor. «Trinker aller Ländervereinigt euch» heißt es etwa auf dem Etikett einer Likörflasche mitdem Titel «Denkerschluck». Die Kaffeetasse wirbt mit «Tröpfchen ausChemnitz - Stadt mit Köpfchen». Gingen die Bewohner zu DDR-Zeiteneher herablassend mit ihrem einstigen Namensgeber um, sympathisierensie inzwischen mit dem großen bronzenen Haupt des Philosophen. DerKopf gehört auch für die Jüngeren selbstverständlich zum Stadtbild.
«Das Monument ist das erste, was den Leuten einfällt, wenn sie anChemnitz denken», sagt Tina Hausotter von den Jungen Liberalen. AuchRomina Vollhardt, Chefin des Chemnitzer Stadtverbandes der sonst alsextrem DDR-kritischen Jungen Union zählt den Karl-Marx-Kopf zu densehenswertesten Dingen der Stadt. Das Monument sei heute ein Mahnmalfür eine vergangene Zeit. Ein Chemnitz ohne Kopf ist für beideNachwuchspolitikerinnen undenkbar.
Als ein litauischer Künstler die über sieben Meter große Plastikim Frühjahr 2007 abbauen und für einen Sommer als Kunstobjekt inMünster ausstellen wollte, ging ein Aufschrei durch die Stadt. InInternetumfragen sprachen sich mehr als drei Viertel der Chemnitzergegen den Verleih aus, Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) legteihr Veto ein. Wer den «Nischel» sehen wolle, der müsse schon nachChemnitz kommen, begründete sie forsch.
Lange stand das Monument nicht mehr so im Blickpunkt. Im Sommersoll der Kopf nun für einige Monate verhüllt werden und so aus demdirekten Stadtbild verschwinden. «Wir wollen zum Nachdenken über Marxanregen und fragen, was den Chemnitzern der Philosoph noch bedeutet»,sagt der Leiter der Neuen Sächsischen Galerie, Mathias Lindner, alsInitiator dieser - genehmigten - Aktion. Denn eigentlich, so Lindner,habe Marx nie etwas mit Chemnitz zu tun gehabt. Daher könne der Kopfauch kein wirkliches Wahrzeichen der Stadt sein.