1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Sachsen: Sachsen: Gosenschenke in Leipzig feiert 100-jähriges Bestehen

Sachsen Sachsen: Gosenschenke in Leipzig feiert 100-jähriges Bestehen

Von Tobias D. Höhn 20.05.2005, 07:13
Der Besitzer der 100 Jahre alten Gosenschenke «Ohne Bedenken» in Leipzig, Hartmut Hennebach, steht am Freitag (19.05.2005) mit der Kellnerin Michaela Baumann mit Gose-Originalflaschen und einem Tablett mit verschiedenen Gose-Sorten in seiner Gaststätte im Norden der Stadt. (Foto: dpa)
Der Besitzer der 100 Jahre alten Gosenschenke «Ohne Bedenken» in Leipzig, Hartmut Hennebach, steht am Freitag (19.05.2005) mit der Kellnerin Michaela Baumann mit Gose-Originalflaschen und einem Tablett mit verschiedenen Gose-Sorten in seiner Gaststätte im Norden der Stadt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Leipzig/dpa. - «Was unter den Blumen die Rose, ist unter denBieren die Gose», sagt Hartmut Hennebach. Der promovierte Veterinärverhalf dem einst in Vergessenheit geratenen säuerlich schmeckendenWeißbier in Leipzig zu einem unverhofften Comeback. Ob als«Regenschirm» mit Kümmellikör oder als «Frauenfreundliche» mitKirschlikör, der 55-Jährige ist von den gesundheitsförderndenLeistungen des Gerstensaftes überzeugt. Auch wenn dies nichtwissenschaftlich belegt ist, so soll der Trunk zumindest dieVerdauung anregen, wie es auf alten Ansichtskarten heißt: «InLeib'sch brauen sie ein Bier, das nennen sie die Gose. Wenn de denkstdu hast's im Leib, so haste's in der Hose!» Diesen Samstag feiert dieGosenschenke «Ohne Bedenken» 100-jähriges Bestehen.

Beim Betreten der holzvertäfelten Gaststube fühlt sich derBesucher in eine längst vergangene Zeit versetzt. Alte Postkarten,Fotos, Blechschilder und immer wieder Jubellieder auf die Gose.Selbst viele Gerichte werden nach dem Originalrezept von 1905zubereitet. Der Name «Ohne Bedenken» soll auf ein geflügeltes Worteines Kellners zurückgehen, welcher von Gästen nach derBekömmlichkeit der Gose gefragt, immer antwortete: «Ohne Bedenken!»Mittendrin steht Hennebach - mal zapft er hinter dem Tresen, malbringt er in historischer Montur den Gästen die Kulturgeschichte des1000 Jahre alten Bieres mit Ursprung in der Harz-Stadt Goslar näher.Damit ist es wesentlich älter als das 1516 erlassene Reinheitsgebot,dem die Gose auf Grund des Zusatzes Koriander und Kochsalz übrigensnicht entspricht.

«Es gibt etwa 4300 Sorten Pils in Deutschland, aber nur zweiSorten Gose», sagt Hennebach. Beide werden in der Region Leipzig-Halle gebraut, die eine von der Döllnitzer Ritterguts-Brauerei, dieandere von der Brauerei am Bayerischen Bahnhof. Trotz Gose-Wanderwegzwischen Halle und Leipzig, Online-Vertrieb und der jährlichen Wahleiner Miss Gose bleibt das Getränk eher eine «lokale Spezialität»,ist der Deutsche Brauer Bund überzeugt. Anders als die BerlinerWeiße, die einst aus der Gose entstanden ist, und in geschmacklicherHinsicht mehr Kohlensäure, aber weniger Alkohol enthält.

Hinzu kommt, dass das Spezialbier eine Geschichte mit Höhen undTiefen hinter sich hat: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurdendie Gose-Brauereien geschlossen. «Gose besteht größtenteils ausWeizen, und damals wurde jedes Korn zum Überleben gebraucht», sagtHennebach. 1987 wurde er per Handschlag vom Wissenschaftler zumGastronom und erforschte die Geschichte des Getränks.

Auch wenn belegt sei, dass Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethein seiner Leipziger Zeit mehr Gose als Rotwein in «Auerbachs Keller»getrunken habe, spürt Hennebach den allgemeinen Abwärtstrend derBranche. «Die fetten Jahre Mitte der 90er sind vorbei. Wir hattendieses Jahr den schlechtesten Januar und Februar», sagt der im KreisMerseburg Geborene. Bundesweit ist der Durst auf ein kühles Blondesim ersten Quartal deutlich gesunken. Im Jahresvergleich sank derBier-Absatz um 3,5 Prozent auf 21,9 Millionen Hektoliter. NachBerechnungen des Statistischen Bundesamtes wurden von der Gesamtmenge19,2 Millionen Hektoliter in Deutschland getrunken. Lediglich bei denBiermischgetränken mit Limonade, Cola oder Fruchtsäften und anderenalkoholfreien Zusätzen machten die Statistiker ein Wachstum um 4,8Prozent auf 0,5 Millionen Hektoliter aus.

«Es trinken die Studiosen - so 2 bis 20 Gosen», zitiert Hennebachden Vers auf einer seiner 400 000 historischen Ansichtskarten. «Dasist längst vorbei», sagt er. Auch wenn sich heute noch regelmäßigStudenten, Kleinkünstler und Politiker im Kellergewölbe oder dem 600Gäste fassenden Biergarten träfen. Bereits im tiefsten Sozialismussei die Lokalität im Stadtteil Gohlis ein Kleinod gewesen. «Wo manGose trinkt, da kannst du ruhig lachen, denn Bösewichte trinkenschärfere Sachen.»