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Russland Russland: Keine Überlebenden beim Absturz einer Boeing 737

Von Stefan Voß und Ulf Mauder 14.09.2008, 13:57
Das Wrack einer russischen Aeroflot-Maschine liegt am Absturzort in Perm. (Foto: dpa)
Das Wrack einer russischen Aeroflot-Maschine liegt am Absturzort in Perm. (Foto: dpa) KP-PERM

Moskau/dpa. - Wohl auchein Deutscher war unter den Opfern. Der Jet derTochterfirma Aeroflot-Nord explodierte offiziellen Angaben zufolge amfrühen Sonntagmorgen nach dem Aufschlag am Rand der IndustriestadtPerm, knapp 1400 Kilometer östlich von Moskau. In den Trümmernstarben 7 Kinder und 21 Ausländer. Die Ursache der schwerstenFlugzeugkatastrophe in Russland seit zwei Jahren blieb zunächstunklar. Am 43. Geburtstag von Präsident Dmitri Medwedew schlossen dieBehörden auch einen Terroranschlag nicht aus. Trümmerteilebeschädigten Gleise der Transsibirischen Eisenbahn.

Die Ermittler gingen allen möglichen Ursachen für die Katastrophebeim Landeanflug in 1800 Metern Höhe nach, darunter auch einemAnschlag an Bord. Das sagte Aeroflot-Chef Waleri Okulow nach Angabender Agentur Itar-Tass in Moskau. Laut Regierungsangaben starb bei demAbsturz auch der im Kaukasus äußerst umstrittene Armeegeneral undPräsidentenberater Gennadi Troschew, der während desTschetschenien-Kriegs in den 1990er Jahren die russischen Truppen imNordkaukasus kommandiert hatte. Troschew beriet den Kreml in derKosakenfrage. Zudem waren hohe Funktionäre des Sambo-Sportverbandesan Bord. Der ehemalige Kremlchef Wladimir Putin ist ein erklärterAnhänger der russischen Kampfsportart Sambo (Selbstverteidigung ohneWaffe).

In Perm am Ural und in Moskau gab es widersprüchliche Angaben zumZeitpunkt der Explosion des Flugzeuges. Augenzeugen hatten berichtet,dass die Maschine bereits in der Luft explodiert sei. Der russischeLuftverkehrsexperte Anatoli Kwotschur hielt diese Version fürmöglich, da die Trümmer in einem ungewöhnlich großen Umkreis von vierKilometern verstreut waren. Auf einer Bahnstrecke suchten Helfer intausenden von kleinen Trümmerteilen nach Hinweisen auf die Ursache.

Viele Anwohner berichteten von Feuer in der Luft. «Das sah aus wieein Komet», sagte eine Frau dem russischen Fernsehsender ORT. «MeineFrau weckte mich mit einem Schrei. "Schau, was ist das? Haben wirKrieg?"», schrieb ein Anwohner in sein Internet-Tagebuch. DasFernsehen zeigte ein verkohltes Wrackteil in einem Gemüsegarten.Unklar blieb, weshalb die Maschine zu einem zweiten Landeanflug aufPerm ansetzen musste.

Präsident Medwedew sprach den Angehörigen sein Beileid aus undsicherte ihnen Unterstützung zu. Die Generalstaatsanwaltschaft gingnach Angaben ihres Chefermittlers Alexander Bastrykin zunächst voneinem Verstoß gegen die Sicherheit im Luftverkehr aus. DieAeroflot-Führung teilte mit, dass das 15 Jahre alte Flugzeug noch indiesem Jahr gewartet worden sei. Die Maschine gehörte zur Flotte derAeoroflot-Nord, die insgesamt acht 737 im Einsatz hat. Aeroflotkündigte wenige Stunden nach dem Absturz an, ab sofort keine Flügemehr gemeinsam mit dem Tochterunternehmen durchzuführen. DerRadiosender «Echo Moskwy» berichtete, dass ein Triebwerk an derBoeing ausgefallen war.

Die Boeing mit der Flugnummer 821 war gegen 01.10 Uhr MESZ (3.10Uhr Ortszeit) vom Moskauer Flughafen Scheremetjewo gestartet und vorder Landung in einem unbewohnten Gebiet der östlichstenMillionenstadt Europas abgestürzt. Bis zu den Hochhäusern seien esnur einige hundert Meter gewesen. Die Maschine habe in 1800 MeternHöhe den Kontakt zur Flugleitung verloren, sagte eineZivilschutz-Sprecherin. Ermittler stellten am Sonntag die beidenFlugschreiber sicher, mit deren Hilfe die Ursache des Unglücksgeklärt werden soll.

Durch den Aufprall der Flugzeugteile wurden am Boden Gleisanlagensowie Elektroleitungen der Transsibirischen Eisenbahn auf etwa einemhalben Kilometer Länge zerstört. Von Moskau aus startete eineSondermaschine mit 60 Bergungskräften, Ermittlern und Psychologen, umzu dem Unglücksort zu gelangen und die Angehörigen der Opfer zubetreuen. Niemand habe den Absturz überleben können, sagte dieZivilschutz-Sprecherin Irina Andrianowa. Am Ort des Unglücks warenrund 300 Helfer im Einsatz.

Aeroflot ist die größte russische Fluglinie, die zusammen mitihren verschiedenen Tochterfirmen jährlich nach eigenen Angabenweltweit rund zehn Millionen Passagiere befördert. Laut derrussischen Statistikbehörde kamen 2007 bei 23 Flugzeugunglücken inRussland 41 Menschen ums Leben. Auf dem Gebiet der früherenSowjetunion war zuletzt am 24. August eine knapp 30 Jahre alteMaschine vom Typ Boeing 737 in der zentralasiatischen RepublikKirgistan abgestürzt. Dabei starben mindestens 65 Menschen.

Infokarte zum Absturz einer Maschine bei Perm (Grafik: dpa)
Infokarte zum Absturz einer Maschine bei Perm (Grafik: dpa)
dpa