Debatte im Landtag Rot-Grün will Wohnungs- und Obdachlosigkeit bekämpfen
In nur zwei Jahren hat sich die Zahl der Menschen, die in Niedersachsen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht sind, verdreifacht. SPD und Grüne wollen dem etwas entgegensetzen.

Hannover - Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen wollen Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Niedersachsen stärker bekämpfen. Dies sei eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Zeit, sagte der SPD-Abgeordnete Oliver Lottke. „Wir müssen uns nicht nur mit den Symptomen dieser Problematik beschäftigen, sondern entschlossen Maßnahmen ergreifen, die den betroffenen Menschen wirklich helfen.“
Dafür soll unter anderem sozialer Wohnraum geschaffen und ein neues niedrigschwelliges Beratungsangebot geschaffen werden. Zudem wollen die rot-grünen Regierungsfraktionen das Modell „Housing First“ verankern. Es bedeutet, dass obdachlose Menschen zuerst eine Wohnung brauchen, damit sie dann ihren Alltag besser regeln und Hilfen leichter annehmen können.
CDU-Kritik: Neue Pflaster, alte Wunden
Kritik dafür kam aus der Opposition. Der rot-grüne Antrag klebe nur neue Pflaster auf alte Wunden, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Uhlen. Drogen und Prostitution sorgten dafür, dass Obdachlose nur schwer vom Leben auf der Straße wegkämen.
Uhlen forderte die Bekämpfung der Ursachen, etwa ein Prostitutionsverbot. Man müsse die Wohnungs- und Obdachlosigkeit ganzheitlich angehen und dürfe sich nicht darin verlieren, bereits bestehende Maßnahmen durch neue Modellprojekte auszuweiten.
„Housing First“ – zuerst eine eigene Wohnung
Unterstützung kam hingegen von Wohlfahrtsverbänden. Der Paritätische Niedersachsen bezeichnete „Housing First“ als den effektivsten und menschenwürdigsten Ansatz, um Obdachlosigkeit nachhaltig zu bekämpfen. „Wohnungslose Menschen brauchen zuerst eine eigene Wohnung – ohne Bedingungen.“
Dies sei keine Theorie, sondern eine erprobte Strategie, die bereits in mehreren Ländern erfolgreich umgesetzt worden sei, sagte die Landesvorsitzende und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Tack. „Niedersachsen muss jetzt handeln, um den dramatischen Entwicklungen entgegenzuwirken.“
Bedarf steigt von Jahr zu Jahr
„Wir können diesem Entschließungsantrag nur zustimmen“, teilte Bethel Nord auf Anfrage mit. Die christliche Einrichtung bietet nach eigenen Angaben 146 stationäre Plätze in der Wohnungslosenhilfe in der Region Diepholz an und betreut rund 80 Menschen im ambulanten Bereich. Der Bedarf an vielfältiger Unterstützung steige von Jahr zu Jahr.
Das zeigen auch die Zahlen des Landesamts für Statistik. Im vergangenen Jahr waren am Stichtag 31. Januar rund 33.000 Kinder, Frauen und Männer wegen Wohnungslosigkeit in Niedersachsen untergebracht – 2022 waren es noch 10.860.
Diakonie: Wohnungslose Frauen nicht übersehen
Vor diesem Hintergrund dürfe es nicht bei der Absichtserklärung der SPD und der Grünen bleiben, sagte der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke. Er wies besonders auf eine Gruppe hin, die nicht übersehen werden dürfe: wohnungslose Frauen.
„Sie sind häufig im Straßenraum nicht sichtbar, aber es gibt sie.“ Ihre Bedarfe seien oftmals andere als die von männlichen Wohnungslosen, sagte Lenke. Ihr Alltag sei häufig auch von Gewalt geprägt. „Deshalb fordern wir, besonders den Schutz von wohnungslosen Frauen in den Blick zu nehmen.“