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Raumfahrt Raumfahrt: Alltag im All

14.11.2002, 10:25
US-Astronaut Michael Bloomfield (Archivbild vom 16.04.2002), Commander der Crew des Space Shuttles Atlantis, betrachtet aus dem «Bullauge» der Internationalen Raumstation ISS die Erde. Das «Fenstergucken» ist nach Meinung vieler der bisherigen ISS-Besucher die schönste Freizeitbeschäftigung für die Besatzung.)
US-Astronaut Michael Bloomfield (Archivbild vom 16.04.2002), Commander der Crew des Space Shuttles Atlantis, betrachtet aus dem «Bullauge» der Internationalen Raumstation ISS die Erde. Das «Fenstergucken» ist nach Meinung vieler der bisherigen ISS-Besucher die schönste Freizeitbeschäftigung für die Besatzung.) AFP

Moskau/dpa. - Monate in einem engen Raum, wenige Spaziergänge, ein ewig gleiches Menü, Latrinenputzen - was sich wie ein Leben in einem Gefängnis anhört, ist der außerirdische Alltag auf der ISS. Zwei Jahre nach dem Bezug der Internationalen Raumstation ist Routine an Bord eingekehrt: Trotz Enge und Schwerelosigkeit lebt die Besatzung so komfortabel wie nur möglich.

Zurzeit besteht die ISS aus vier Hauptmodulen, die jeweils die Größe eines Autobusses haben. Hier lebt die Besatzung, deren tägliche Arbeitszeit zwischen zehn und zwölf Stunden liegt. Lediglich an Wochenenden und Feiertagen wird sie ein wenig zurückgeschraubt.

Die meiste Arbeit entfällt auf wissenschaftliche Experimente. Doch die ISS-Besatzung muss auch einfache irdische Arbeit verrichten. «Samstags ist Hausputz fällig», schrieb die amerikanische Astronautin Peggy Whitson vor kurzem nach Hause. «Dazu gehört Staubsaugen ebenso wie das Entfernen von Staub aus Filtern mit Hilfe von Klebeband oder das Entfernen von entfleuchten Essensresten von Böden und Wänden.» Whitson soll noch vor Monatsende zusammen mit ihren russischen Kollegen Waleri Korsun und Sergej Treschtschew nach fünf Monaten auf der ISS zur Erde zurückkehren.

«Am vergangenen Samstag habe ich meinen Kollegen die Haare geschnitten», schilderte sie einen eher ungewöhnlichen Job. «Wegen der Schwerelosigkeit war dies eine besondere Herausforderung, also musste mein jeweiliges Opfer während des Schneidens einen Staubsauger an den Kopf halten.»

Beachtlich und gewichtig für die ISS ist eine ganz andere Statistik - Essen und Trinken. Schon über 3,6 Tonnen Lebensmittel wurden auf der Station verzehrt, und jedes Gramm musste mühsam ins All gebracht werden. Doch die ersten Weltraum-Mahlzeiten aus der Tube haben sich inzwischen fortentwickelt. Heute gibt es spezielle Pulversuppen und Weltraum-Rühreier, ebenso wie Hühnerfleisch oder Beefsteak. Getrunken wird per Strohhalm aus Plastiktüten, während die Mahlzeiten zusätzlich mit flüssigem Salz oder Pfeffer gewürzt werden können. Dies aus Sicherheitsgründen, denn die Salz- oder Pfefferkörner könnten sich selbstständig machen und die Luftfilter oder andere empfindliche Geräte außer Betrieb setzen.

Höhepunkte des eintönigen Weltraumdaseins der ISS-Besatzungen sind das gelegentliche Andocken von Progress-Raumtransportern. Denn neben Nachschub bringen sie auch private Post und frisches Obst und Gemüse. «Tomaten haben noch nie so gut und Äpfel noch nie so süß geschmeckt», beschrieb Whitson die Gaumenfreuden im All.

Zum Freizeitprogramm gehören unter anderem Video-Filme - hier gab es für die Raumfahrer zuletzt den Science-Fiction-Gruselfilm «Alien». Die schönste Freizeitbeschäftigung ist jedoch nach Meinung aller bisherigen ISS-Besucher das Fenstergucken, vor allem die ständigen Sonnenaufgänge oder -untergänge. «Ich könnte tagelang fliegen und einfach nur aus dem Fenster schauen», beschrieb der südafrikanische Weltraum-Tourist Mark Shuttleworth im Mai seine Eindrücke.

Zwischen Arbeit und Freizeit müssen die Astronauten auf ihre Fitness achten. Übungen auf Laufband und Trainingsfahrrad sorgen dafür, dass die Muskulatur in der Schwerelosigkeit nicht erschlafft. Duschen nach dem Training fällt mangels Kabine aus - der Schweiß wird mit Feuchttüchern abgewischt. Da auch keine Waschmaschine an Bord ist, wird die Schmutzwäsche in den leeren Raumfrachter gestopft, der später als fliegender Müllcontainer in der Erdatmosphäre verglüht.

Nicht besonders beliebt ist an Bord der ISS die «Rotlicht- Lotterie». Denn leuchtet auf der Toilette ein rotes Lämpchen auf, muss der «Gewinner» den nunmehr vollen Abortkanister ausbauen und in den Raumtransporter bringen.

Das größte Erlebnis für alle ist ein Ausflug in den freien Weltraum, sei es zu Reparaturen an der Außenseite der ISS oder zu Experimenten. «Es war ein tolles Fluggefühl, aber nicht wie im Flugzeug, sondern vielmehr nur das Gefühl des Ich im freien Flug über der Erde», schwärmte Peggy Whitson.