Pro-Palästina-Demos Randale wegen Nahost-Konflikt: Rund 170 Festnahmen
Unbedingt will die Polizei palästinensische Demonstrationen mit antisemitischen Untertönen verhindern. In Neukölln wollen Menschen trotzdem für Palästina und gegen Israel auf die Straße gehen. Für Donnerstag wird eine ähnliche Eskalation wie am Mittwoch erwartet.
Berlin - Explodierende Feuerwerkskörper, Flaschenwürfe gegen die Polizei auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite Polizisten, die sehr rabiat und gewaltsam gegen anfangs noch eher friedliche Demonstranten vorgingen. Von Abend zu Abend steigerte sich in dieser Woche die Aggressivität bei Ansammlungen und Protesten von Unterstützern Palästinas und Gegnern Israels im aktuellen Nahost-Konflikt. Am Mittwochabend ging die Polizei wegen des Verbots solcher Demonstrationen strikt und heftig gegen protestierende Menschen auf der Sonnenallee vor und nahm nach eigenen Angaben 174 von ihnen vorläufig fest. Für Donnerstagabend wurde Ähnliches erwartet.
Die Demonstranten warfen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. Manche Detonationen waren so laut, dass man sie noch viele Straßen weiter hörte. In einer der Nächte wurde sogar eine Kugelbombe, die zum Großfeuerwerk gehört, gezündet. In Sprechchören skandierten die Menschen: „Free Free Palestine“. Palästina-Tücher waren zu sehen, an manchen Geschäften und Cafés hingen Palästina-Fahnen. Die etwa 1400 Israelis, die die Terrormiliz Hamas am 7. Oktober getötet hatte, wurden auf den Straßen in Neukölln nicht beklagt.
Etwa 1000 Demonstranten auf der Straße - nur ein Teil macht Randale
850 Polizisten waren im Einsatz, um Demonstrationen, bei denen antisemitische Hetze und Gewalt befürchtet wurden, zu verhindern. Etwa 1000 Demonstranten fanden sich am Mittwochabend auf den Straßen ein, hieß es aus Polizeikreisen. Aber nur ein Teil sei für Krawalle verantwortlich, oft seien es bestimmte Gruppen. Die meisten anderen Menschen seien Schaulustige, die von Sensationslust angetrieben.
Die Polizei hatte eigens eine sogenannte Bearbeitungsstraße eingerichtet, also einen großen abgesperrten Bereich, um die Personalien der vielen festgenommenen Menschen zu erfassen. Immer wieder stürmten Polizeitrupps in die Menge, um Menschen rauszuziehen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einem „religiösen Krieg“, der auf Berlins Straßen getragen werde. „Wer unseren Schutz, unsere Gastfreundschaft und unser demokratisches Zusammenleben sucht, der kann sich nicht gegen unsere Gesetze stellen und einen Schutzanspruch für sich verlangen.“
Zugleich kritisiert eine Palästina-Initiative die Demonstrationsverbote. „Wenn der deutsche Staat der palästinensischen Community konsequent das Grundrecht verweigert zu protestieren, öffentlich zu trauern oder ihre Identität zum Ausdruck zu bringen, ist ziviler Ungehorsam fast vorprogrammiert.“ Palästinensische Gruppen rufen im Internet weiter zum Protest auf.
Zu den Demonstranten zählen vor allem junge, arabischstämmige Männer, aber auch linke und linksradikale Gruppen deutschstämmiger junger Menschen, die „gegen Rassismus“ demonstrieren wollten. Der Berliner Antisemitismus-Beauftragte Samuel Salzborn sprach im Sender RBB über die Solidarisierung von deutschen Linken mit Islamisten, die Amadeu Antonio Stiftung warf demonstrierenden linken Gruppen Antisemitismus vor.
Justizminister: Keine antijüdische Hetze unter Deckmantel einer Friedensdemonstration
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) forderte im RBB, gegen Hetze und Propaganda für Terror müsse man mit aller Strenge vorgehen. „Wer für Frieden demonstriert, wer sich für die Zwei-Staaten-Lösung ausspricht, wer seine Trauer zum Ausdruck bringen möchte und das friedlich tun will, kann das tun und soll das auch tun, wenn das seinem Bedürfnis entspricht.“ Was nicht gehe, sei unter dem Deckmantel einer Friedensdemonstration gegen Juden zu hetzen.
Unterdessen übernahm die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen zu dem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in Mitte. Grund sei der eskalierende Charakter des Angriffs wegen der Situation im Nahen Osten und der Demonstrationen in Berlin. Zwei vermummte Täter warfen am Mittwochabend sogenannte Molotowcocktails in Richtung der Kahal Adass Jisroel Synagoge in der Brunnenstraße. Die Brandsätze schlugen nur auf dem Bürgersteig auf.
Absperrgitter zum Schutz jüdischer Einrichtungen
Die Polizei will gefährdete jüdische Einrichtungen nun durch mehr Absperrgitter schützen. „Beim Schutz von Objekten müssen wir vermehrt auf Technik setzen. Wir werden zum Beispiel Synagogen und andere Objekte stärker abgittern“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik der Zeitung „B.Z.“. Zugleich will die Polizei noch stärker das Internet durchsuchen, um Gewaltaufrufen zu begegnen. „Wir haben unsere Recherchen im Internet verstärkt. Auch da gibt es aber geschlossene Gruppen, in die auch wir nicht eindringen.“
Polizei dementiert Gerücht zu angeblichem Tod eines Jugendlichen
Ein Gerücht im Internet, wonach bei den Ausschreitungen und Polizeieinsätzen zum Nahost-Konflikt am Mittwochabend in Neukölln ein 13-jähriger Jugendlicher gestorben sei, kursiere „auf verschiedenen Social-Media-Kanälen“, teilte die Polizei auf der Internetplattform X (früher Twitter) mit. „Das ist ein Fake“, hieß es in dem Beitrag. Bei der Festnahme von Verdächtigen sei es auch zu Widerstand und körperlicher Gewalt mit Verletzten gekommen. „Niemand ist deshalb gestern verstorben“, erklärte die Polizei. Fake News seien gefährlich und führten im schlimmsten Fall zu Gewalt.
Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft macht mit Plakaten auf die von der Hamas verschleppten und ermordeten Menschen aufmerksam. Rund 200 Plakate wurden am Mittwochabend in Prenzlauer Berg und Friedrichshain aufgehängt, um über die individuellen Geschichten der Ermordeten zu informieren. Plakate soll es auch in Moabit und Charlottenburg geben. Stadtteile wie Kreuzberg und Neukölln seien derzeit als Orte für die Aktion ohne Sicherheitsvorkehrungen aber „undenkbar“, hieß es.