Prozessbeginn nach fünf Jahren Prozess um Brandanschlag auf Jugendzentrum: Bald Geständnis?
Was lässt sich fünf Jahre nach einem Brandanschlag auf ein Jugendzentrum rekonstruieren? Bis heute leiden die Opfer unter den Folgen des Feuers. Der nächste Prozesstag könnte spannend werden.
Bremen - Fast fünf Jahre nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf ein Jugendzentrum soll das Landgericht Bremen die Hintergründe der Tat klären. Die drei Angeklagten werden sich am zweiten Verhandlungstag äußern, wie die Verteidiger zu Prozessbeginn ankündigte. Einer der Männer werde sich „weitestgehend geständig“ zeigen. Die Polizei ordnet die Angeklagten im Alter von 35, 29 und 41 Jahren der rechtsextremistischen Szene zu.
Anklage: Feuer während Konzert gelegt
Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung vor. Sie sollen im Februar 2020 um Mitternacht in ein Café im ersten Stock des selbstverwalteten Jugendzentrums „Die Friese“ eingedrungen sein. Mit einem Feuerzeug sollen sie Kleidung in einem Regal angezündet haben. Dabei hätten sie in Kauf genommen, dass 33 Konzertbesucher im Erdgeschoss des Jugendzentrums in Gefahr gerieten.
Nach Angaben der Polizei hatten einige Besucher des Konzerts Rauchgeruch bemerkt. Zwei Zeugen alarmierten die Feuerwehr, die den Brand schnell löschte. Die Einsatzkräfte versiegelten den Tatort, das Konzert wurde fortgesetzt.
Laut Anklage erlitten drei Menschen Rauchvergiftungen und psychische Probleme. Bis heute sollen sie unter Gefühlen wie Ohnmacht und Hilflosigkeit leiden, mit Schlafproblemen zu kämpfen haben und Probleme bekommen, wenn sie mit Rauch in Verbindung kommen. Opfervertreter gehen von einer höheren Zahl von Betroffenen aus. Eine Konzertbesucherin tritt im Prozess als Nebenklägerin auf. Die Ermittler schätzen den Sachschaden auf rund 180.000 Euro.
Spuren an über 100 Bierflaschen – Versäumnisse bei Ermittlungen?
Der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft übernahmen damals die Ermittlungen. Nach früheren Angaben werteten sie dabei Fingerabdrücke an mehr als 100 Bierflaschen aus. Zeugen seien befragt und Erkenntnisse mit anderen Sicherheitsbehörden ausgetauscht worden. Die Ermittler entdeckten am Tatort zwei Aufkleber, einer hatte demnach einen rechtspopulistischen Bezug.
Opfervertreter werfen den Behörden grobe Fehler vor. Obwohl es schnell erste Hinweise auf einen rechten Hintergrund gegeben habe, hätten die Ermittler erst eineinhalb Jahre nach der Tat Wohnungen und Autos der Verdächtigen untersucht. Die Polizei habe die entdeckte Neonazi-Propaganda größtenteils nicht als Beweismittel beschlagnahmt. Bis zum Prozessbeginn habe es nochmals mehr als drei Jahre gedauert.
Verbindungen in die rechtsextremistische Szene
Nach Recherchen der Nebenklage und des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. sollen die Angeklagten Verbindungen zur Partei „Die Rechte“ haben. Außerdem gebe es Bezüge zum rechtsextremistischen Bremer Verein „Phalanx 18“, den die Innenbehörde im November 2019 wegen seiner verfassungsfeindlichen Ideologie aufgelöst hatte.
Im niedersächsischen Umland von Bremen waren 2020 auch drei Gaststätten angezündet worden, die von Zuwanderern betrieben wurden – in Syke, Gnarrenburg und Ganderkesee. Die Täter schmierten jeweils Hakenkreuze. Die Brandstiftungen wurden nie aufgeklärt. Ob es einen Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Brandanschlag auf das Jugendzentrum gibt, ist unklar.
Prozess unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen
Ein Verteidiger erklärte zu Prozessbeginn, dass sein Mandant seit dem mutmaßlichen Brandanschlag „massiven Angriffen“ ausgesetzt sei. Unbekannte sollen die Autoreifen des 29-Jährigen zerstochen, ein Graffiti auf die Scheune seiner Eltern und in eine Unterführung seines Heimatortes gesprüht haben. Die Nebenklage berichtete wiederum, dass zuletzt wieder mehr Aufkleber mit rechtem Inhalt am Jugendzentrum entdeckt wurden.
Das Gericht hatte vor der Verhandlung eine eigene Verfügung erlassen, um Störungen zu verhindern. Der Prozess findet in einem bestimmten Saal statt. Alle Besucherinnen und Besucher des Prozesses müssen auf Waffen und Wurfgeschosse untersucht werden. Wachtmeister der Justiz und zahlreiche Polizisten sollen für Sicherheit vor, während und nach der Verhandlung sorgen.
In dem Prozess geht es auch um einen Angriff auf einen Busfahrer. Der 41-jährige Angeklagte soll im August 2024 die Scheibe einer Fahrerkabine zerstört und mit seinen Fäusten auf den Fahrer eingeschlagen haben. Das Gericht hat 17 weitere Termine angesetzt, ein Urteil könnte Ende Mai fallen.