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Prozess Prozess: Löcher im Ohr und im Gesetz

31.08.2012, 17:35

Berlin/AFP. - Im Rahmen eines Zivilprozesses um ein missglücktes Ohrlochstechen vor dem Amtsgericht Berlin-Lichtenberg sagte der Richter Uwe Kett, er erwäge, die Strafgerichte einzuschalten. Möglicherweise handele es sich um Körperverletzung, sagte Kett vor dem Hintergrund des umstrittenen Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts.

Bei dem Berliner Prozess wurde über die Schmerzensgeldklage eines Mädchens verhandelt, das nach Auffassung seiner Eltern ein Trauma beim Ohrlochstechen erlitten hatte. Laut Klageschrift hatten die Eltern dem seinerzeit dreijährigen Mädchen zum Geburtstag auf seinen Wunsch hin das Stechen von Ohrlöchern geschenkt. Im Dezember vergangenen Jahres waren Eltern und Kind zu einem Tattoostudio in Berlin-Lichtenberg gegangen. Dort hatten zwei Mitarbeiterinnen dem Kind gleichzeitig die Ohrlöcher gestochen.

"Dies hat dem Kind sehr weh getan", hieß es in der Klageschrift. Ein Ohrloch habe zudem höher gesessen als das andere, weshalb die Eltern das Stechen reklamierten und nicht bezahlten. In der Verhandlung sagte der Richter mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit, das Kind habe zwar selbst die Ohrlöcher gewollt. Es sei jedoch nicht klar, ob der Wille einer Dreijährigen ausreiche, um den Vorwurf der Körperverletzung auszuschließen. Auch sei zweifelhaft, ob die Einwilligung der Eltern dem Wohl des Kindes gedient habe.

Kett bezog sich auch auf das Kölner Urteil zur Strafbarkeit der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen. Das Kölner Landgericht hatte die Beschneidung eines Vierjährigen als strafbare Körperverletzung gewertet, obwohl die Eltern ihre Einwilligung gegeben hatten.

Das Berliner Verfahren wurde gestern mit einem Vergleich abgeschlossen. Auf Vorschlag von Richter Kett erhält das Mädchen nun ein Schmerzensgeld von 70 Euro "für sein Sparschwein", wie der Richter sagte.