1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Prozess: Prozess: «Kannibale von Rotenburg» bestreitet Mordvorwurf

Prozess Prozess: «Kannibale von Rotenburg» bestreitet Mordvorwurf

Von Michael Evers 08.12.2003, 10:29
Der "Kannibale von Rotenburg", der 42 Jahre alte Computerspezialist Armin Meiwes (r), schaut am Montag (08.12.2003) zu Beginn des zweiten Verhandlungstags am Kasseler Landgericht zu seinem Anwalt Harald Ermel. (Foto: dpa)
Der "Kannibale von Rotenburg", der 42 Jahre alte Computerspezialist Armin Meiwes (r), schaut am Montag (08.12.2003) zu Beginn des zweiten Verhandlungstags am Kasseler Landgericht zu seinem Anwalt Harald Ermel. (Foto: dpa) dpa

Kassel/dpa. - «Ich hoffe, dass ich bald ein weiteres Opfer finde, das Fleischist bald alle», schrieb Meiwes per E-Mail an einen Freund. Wenn sichdie Möglichkeit geboten hätte, hätte er weitere Menschen umgebracht.Mit einem neuen Opfer hätte er zunächst gemeinsam Teile seines erstenOpfers verzehren wollen, sagte Meiwes am Montag aus.

Fahnder des hessischen Kriminalamtes berichteten, bei ihrenErmittlungen hätten sie eine Kannibalismusszene in Deutschlandaufgedeckt. «Dazu gehören Zahnärzte, Lehrer, Köche, Beamte undHandwerker», sagte der LKA-Ermittler Wilfried Fehl. «Das sind Leuteaus der Mitte der Gesellschaft heraus, ganz normale Leute.» WeitereKannibalismus-Opfer habe die Polizei bei ihren Ermittlungen unter denrund 400 E-Mail-Bekanntschaften von Meiwes aber nicht ausmachenkönnen.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde der Schwurgerichtskammeram Montag der Film gezeigt, auf dem der «Kannibale» seine Tat bis indie grausigsten Details festhielt. Der Film zeigt, wie Meiwes seinOpfer entmannt, ersticht und zerlegt. Aus dem Film geht hervor, dassdas Opfer zum Beginn zwar bewusstlos, aber noch lebendig war.

Bei seiner Vernehmung von Meiwes beschäftigte das Gericht sich amMontag intensiv mit der Frage, inwiefern ihn das Töten oder nur dasspätere Zerlegen des Opfers sexuell erregt habe. «Töten, verletzen,Schmerzen zufügen wollte ich eigentlich nicht, ich wollte den Körperund das Fleisch haben», sagte Meiwes dazu. Die Anklage legt ihm Mordzur Befriedigung des Geschlechtstriebes zur Last. Sein Verteidigerspricht von Tötung auf Verlangen. Dazu sagten Polizisten vor Gericht,Meiwes habe bei seiner Vernehmung eingeräumt, er habe seine Opfer fürseine Zwecke gefügig machen wollen. Er habe die Wünsche undEigenarten potenzieller Opfer ausgelotet, um diese für sich zugewinnen.

Meiwes bekräftigte indes erneut, das Opfer habe sich seinSchicksal gewünscht, deshalb handele es sich nicht um Mord. «Er hatmir seinen Körper geschenkt.» Er habe das Töten als Hilfestellunggewertet, als Sterbehilfe, als Beihilfe zum Selbstmord. «Das ist einTabu, deshalb muss ich mich vor Gott und der ganzen Weltrechtfertigen.» Wenn er heute seine Ermittlungsakten lese, denke er,«wäre ich ein paar Jahre früher zum Psychologen gegangen, wäre esnicht soweit gekommen».

Wie schon bei seiner Vernehmung am ersten Prozesstag schilderteMeiwes auch am Montag ruhig und sachlich die fürchterlichsten Detailsseines Tuns. Nur gelegentlich lächelte er in sich hinein und schiensich über den anfänglichen Unglauben der im Zeugenstand gehörtenPolizeibeamten zu amüsieren, die ihn nach der Tat vernommen hatten.

Wie eine Polizistin vor Gericht schilderte, habe der Angeklagteseine kannibalistischen Neigungen wie einen Drang «ein bisschen nachWehrwolfmanier» beschrieben, der ihn alle sechs bis acht Wochen beiVollmond überkomme. Ein anderer Polizist sagte, Meiwes sei bei seinerVernehmung stolz auf seine Tat gewesen und habe kein Bedauerngezeigt. «Er war froh, seine Geschichte jemanden erzählen zu können»und habe einen erleichterten Eindruck gemacht.