Prozess in Belgien Prozess in Belgien: Feuchte Augen im Kinderkerker: Opfer am Dutroux-Tatort

Charleroi/dpa. - Dabei hatte der Tag in beinahe gelöster Stimmung begonnen. Fastwie zu einer Kaffeefahrt waren die Richter, Geschworenen, Anwälte, Opfer und Angehörigen sowie ein ausgewähltes Publikum am Morgen mit zwei Reisebussen vom südbelgischen Arlon in die wallonische Industriestadt Charleroi abgereist. Marc Dutroux, der Hauptangeklagte im Prozess um die Entführung und Ermordung mehrerer Mädchen Mitte der 90er Jahre, wurde in einer gepanzerten Mercedes-Limousine an den einstigen Tatort gefahren. Er, seine mitangeklagte Ex-Frau MichelleMartin und der geständige Komplize Michel Lelièvre mussten bei der Besichtigung wie bei jeder Sitzung des Schwurgerichts anwesend sein.
Trotz des strahlenden Sonnenscheins und mitgebrachter Sandwichesfür alle 110 Teilnehmer des Ortstermin verflog die Ausflugsstimmung in der Avenue de Philippeville 128 rasch. Fast fluchtartig verließen manche Geschworene das verwahrloste Reihenhaus. Die Mutter von Laetitia Delhez erlitt einen Schwächeanfall und wurde medizinisch versorgt. Angehörige verließen erkennbar geschockt das winzige Kellerverlies, in dem die achtjährige Julie Lejeune ihr letztes Lebenszeichen hinterlassen hatte: «Julie» hatte das Mädchen an dieWand gekritzelt, bevor es elend verdurstete.
Laetitia Delhez, die vor dem schweren Gang in den Keller ihrerQualen noch nervös geraucht und gelacht hatte, wirkte nach dem Besuch mitgenommen. Mit ihrem Anwalt Georges-Henri Beauthier, der im Verfahren immer wieder auf den Ortstermin gedrungen hatte, besprach sie das Gesehene. Anfang vergangener Woche hatten Delhez und Dardenne vor Gericht ihre Leiden im Dutroux-Keller geschildert. Diese Berichte können die Geschworenen, die voraussichtlich Mitte Juni über Schuld oder Unschuld der Angeklagten entscheiden, nun nach der Besichtigungauch mit einem konkreten Ort verbinden.
Während die Mitangeklagten Martin und Lelièvre schon zu Beginn mit ihren schusssicheren Westen aus den Panzer-Limousinen geholt wurden, zeigte die eigentliche Hauptperson wenig Interesse: Marc Dutroux blieb stundenlang zwischen zwei Bewachern auf der Rückbank des dunklen Mercedes sitzen. Aus der streng abgeschirmten Sicherheitszone mit gut 300 Beamten, 15 Hunden und einem Hubschrauber rund um sein Haus verlautete, ihm sei nicht wohl.//Die Richter des mutmaßlichen Mädchenmörders MarcDutroux sind am Dienstag vor dessen Haus in Charleroi in Belgieneingetroffen. Bei dem Ortstermin sollen alle Teilnehmer des Prozesses jenen Keller besichtigen, in dem der Angeklagte Dutroux Mitte der 90-er Jahre vier Mädchen gefangen hielt. Auch die beiden überlebendenOpfer des vorbestraften Kinderschänders, die bereits vor Gerichtausgesagt haben, sind an den Ort ihrer Qualen zurückgekehrt.
Das Haus wird von mehr als 300 Sicherheitskräften weiträumigabgesperrt. Dutroux selbst ist mit zwei Mitangeklagten schon amVormittag in hoch gesicherten Limousinen an den Tatort gebrachtworden. Ihm war vor sechs Jahren für einige Stunden die Flucht vor der Justiz geglückt. Außerdem gilt der Hauptangeklagte als mögliches Ziel von Anschlägen. Im Mittelpunkt des Prozesses steht die Entführung von sechs Mädchen, von denen vier während ihrer Gefangenschaft qualvoll starben.

