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Prozess Prozess: Hammerschläge gegen Kinder

Von Chris Melzer 14.10.2009, 17:03
Werner Momberg, Anwalt des Familienvaters, der seine Kinder mit einem Hammer töten wollte, beim Prozessauftakt im Landgericht Kassel.
Werner Momberg, Anwalt des Familienvaters, der seine Kinder mit einem Hammer töten wollte, beim Prozessauftakt im Landgericht Kassel. dpa

Kassel/dpa. - Aber der Kollege stockte und konnte gar nichtrichtig sprechen», sagt die Notärztin. Seit Jahrzehnten ist sieMedizinerin, seit 16 Jahren fliegt sie auf dem Rettungshubschrauber«Christoph 7». Der Einsatz im nordhessischen Berndorf war derschlimmste ihres Lebens. Im April hat ein Familienvater in demÖrtchen bei Korbach seine drei Kinder mit Hammerschlägen fast getötetund sich erst am nächsten Tag der Polizei gestellt. Wie durch einWunder überlebten Kim-Katharina, Anna-Lena und Jonas.

Vorausgegangen war eine Geschichte, die sich jährlich tausendfachabspielt: Ein Paar trennt sich, die Kinder leben bei der Mutter. DerVater darf sie zwar sehen, leidet aber unter der Trennung. Dann istauch der Job weg und er beginnt zu trinken. «Die Kinder waren meinLeben», lässt der 40-Jährige am Mittwoch zum Prozessauftakt vor demKasseler Landgericht erklären. «Ich habe sie immer geliebt, war auchmal streng, aber nur mit Worten. Aber die Trennung hat mich völligzermürbt.»

Immer wieder habe er an Selbstmord gedacht. «Aber ich wollte dieKinder nicht ohne Vater zurücklassen.» Sein Plan war, mit einemMietwagen gegen einen Pfeiler zu rasen. «Doch die Wahrscheinlichkeit,dass auch meine Kinder sterben, war viel zu gering. Die Vorstellung,dass sie ihr Leben unter den Folgen leiden würden, konnte ich nichtertragen. Deshalb verfiel ich auf die Idee mit dem Hammer.»

Als der Dreijährige und seine fünf und sieben Jahre altenSchwestern auf der Ausziehcouch schliefen, schlich sich ihr Vater miteinem Zimmermannshammer in den Raum und schlug auf die Köpfe seinerKinder ein. Immer wieder. Die beiden Teddybären und ein bunterPlüschvogel, den eines der Kinder an sich gedrückt haben muss - allesvoller Blut. «Mit wuchtigen Hieben» schlug der Mann zu, heißt es inder Anklageschrift, um die Kinder aus niederen Beweggründen undheimtückisch zu töten.

Dann raste er über die Autobahn. «Ich verstehe bis heute nicht,warum mir der Mut zum Selbstmord fehlte. Ich habe es bis Hamburgnicht geschafft, gegen einen Pfeiler zu fahren oder einBrückengeländer zu durchbrechen.» Deshalb fuhr er die gut 300Kilometer zurück nach Kassel und stellte sich.

Es grenzt an ein Wunder, dass die Kinder trotz zertrümmerterSchädel die Stunden überlebten, bis die Retter kamen. Bei derÄltesten spricht die Anklage zum Entsetzen der Zuhörer von einem«erheblichen Verlust der Hirnsubstanz».

Diels hatte Anna-Lena zu versorgen. «Da liegt ein kleines Mädchenvor mir und ich diagnostiziere gerade "rund 20 Kilo, etwa vierJahre", da schlägt das Kind die Augen auf und sagt "Aber ich bin dochfünf." Ich war wie erstarrt.» Drei Blutkonserven hat Anna-Lenagebraucht. «Für so ein Körperchen ist das sehr, sehr viel.» EineWoche liegt die Kleine im Koma. Aber sie lebt. Genauso wie Kim-Katharina und Jonas.

Ein halbes Jahr später sitzt ihr Vater vor der 6. GroßenStrafkammer und muss womöglich lebenslang ins Gefängnis. «Ich habeAlpträume und sehe nachts meine Kinder blutüberströmt», ließ ererklären. «Ich kann nur hoffen, dass mir meine Kinder einmalverzeihen werden.» Ihnen musste von Psychologen klargemacht werden,dass es ihr Vater war, der ihnen das alles zugefügt hat. Vielleichthaben sie es noch nicht begriffen, vielleicht sind sie aber auchkräftiger als alle glauben: Bei einem Fest für alle Retter amWochenende tollten die drei herum, wie inzwischen vier, sechs undacht Jahre alte Kinder es nun einmal tun.