1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Prozess gegen Silvio S.: Prozess gegen Silvio S. in Berlin: Erzieherin: "Elias war ein lebensfrohes Kind"

Prozess gegen Silvio S. Prozess gegen Silvio S. in Berlin: Erzieherin: "Elias war ein lebensfrohes Kind"

Von Katrin Bischoff 14.06.2016, 09:04
Silvio S. betritt am ersten Prozesstag den Gerichtssaal.
Silvio S. betritt am ersten Prozesstag den Gerichtssaal. AFP Pool

Potsdam - Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstagmorgen in Potsdam der Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Silvio S. begonnen. Silvio S. hatte bei der Polizei ein Geständnis abgelegt. Doch in seinem Mordprozess, der bis Ende Juli gehen soll, will er nun schweigen.

Die Mutter des getöteten Elias, Anita S., sagt am Mittag aus. Die 26-Jährige erklärt mit leiser Stimme, dass sie erst kurz vor dem Verschwinden ihres Sohnes in die Wohnung in Potsdam-Schlaatz gezogen sei. Sie habe Elias jeden Tag zur Schule gefahren und wieder abgeholt.

Am 8. Juli 2015 habe sie ihr Kind gegen 15.45 Uhr vom Hort abgeholt. Ob er draußen spielen wolle, habe sie ihn gefragt. Elias habe ganz begeistert bejaht. Anita S. schaute öfter aus dem Fenster nach ihrem Sohn, sah ihn im Sandkasten und mit Steinen und Stöckern spielen.

Plötzlich war Elias weg

Gegen 18.45 Uhr war Elias weg. Anita S, Übersetzerin von Beruf, und ihr Lebensgefährte suchten zunächst das Wohngebiet ab und riefen Freunde an. Um 19.11 Uhr alarmierte Anita S. die Polizei.

Sie hatte ihren Sohn nach eigenen Worten wiederholt vor Erwachsenen mit bösen Absichten gewarnt. „Ich habe ihm erklärt, dass es sein kann, dass (...) jemand ihn austricksen und ihm weh tun will“, sagt die ganz in schwarz gekleidete Frau. Sie erinnert sich, wie sie damals zunächst verzweifelt den Wohnblock abgesucht und schließlich den Notruf gewählt hatte. „Ich habe mich erst nicht ernst genommen gefühlt“, sagt sie über das Gespräch mit der Polizei. Die Beamten hätten zwei Streifenwagen geschickt. „Als er nicht auftauchte, haben sie es ernster genommen.“

Am Nachmittag sagt die Horterzieherin von Elias aus. Sie erzählt, dass der Junge ein sehr lebensfrohes und lustiges Kind gewesen sei. "Ein aufgewecktes Kerlchen", sagt die 55-Jährige. Zu Beginn der Schule habe sie gedacht, dass der verspielte Junge noch ein Jahr hätte im Kindergarten bleiben können.

Eine gute Freundin von Elias' Mutter erzählt, dass Elias nie mit einem Fremden mitgegangen wäre, ohne vorher seine Mutter zu fragen. Wenn der Fremde Elias allerdings erzählt hätte, er hätte der Mutter bereits Bescheid gesagt, dann wäre Elias mitgegangen. "Elias hatte viel Urvertrauen", sagt die 27-Jährige vor Gericht.

Elias' Mutter ist drei Wochen nach dem Verschwinden die ihres Sohnes aus Schlaatz weggezogen. "Die könnte nicht mehr dort wohnen, wo ihr Sohn abhanden gekommen ist", begründet die Freundin der Mutter den Wegzug.

Silvio S. zeigt sich emotionslos

Silvio S., der den spielenden Elias am 8. Juli entführt, missbraucht und im Auto erdrosselt haben soll, verfolgt die Verhandlung emotionslos. Silvio S. ist in wenigen Monaten offensichtlich stark gealtert. Der 33-jährige Wachmann ist heute deutlich schmaler als auf den Bildern, die nach der Festnahme kursierten. Sein Haaransatz ist grau geworden. Zugleich wirkt das blasse Gesicht hinter der Nickelbrille kindlich. „Der sieht aus wie Messdiener“, sagt ein Zuschauer aus dem Saal.

Öffentlichkeit wird zugelassen

Gleich zu Beginn des Prozesses stellten die Anwälte von Silvio S. einen Antrag, die Öffentlichkeit für den gesamten Prozess auszuschließen. Der Prozess wird unterbrochen, um kurz vor 12 Uhr verkündete der Vorsitzende Richter, Theodor Horstkötter, dann die Entscheidung: Die Öffentlichkeit wird nicht ausgeschlossen, der Antrag des Angeklagten wird abgelehnt. Die Begründung: Das Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Auch der Antrag von Mohameds Mutter, die Öffentlichkeit während der Verlesung der Anklage auszuschließen, wurde abgelehnt. Die Zuschauer atmen auf.

Bei der Verlesung der Anklage trug Staatsanwalt Peter Petersen grausame Details vor. Nach Angaben des Gerichts ist im Fall einer Verurteilung nach jetzigem Stand keine Unterbringung des Mannes in einer psychiatrischen Klinik zu erwarten. Dem Angeklagten droht lebenslange Haft. Der Vorsitzende Richter appelliert zu Beginn des Prozesses an die Zuschauer im Saal: „Ich bitte, von Zwischenrufen und Kommentaren - insbesondere beleidigenden - Abstand zu nehmen.“

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Der Besucherandrang am Morgen war groß: Um 8.45 Uhr warteten schon über 50 Menschen vor dem Gericht, Platz ist nur für 30 Personen und 24 akkreditierte Journalisten. Am Eingang zum Gerichtssaal mussten alle Besucher einen Metalldetektor durchlaufen.

Schlüssel, Gürtel, Uhren mussten abgelegt werden. Jeder, der in den Saal wollte, wurde gründlich abgetastet. Taschen wurden nach Waffen durchsucht. Sechs Justizbeamte mit schusssicheren Westen sicherten den gesonderten Zugang und den Saal.

Eine der Besucherinnen ist Gabi Franz, die in Babelsberg lebt. Sie hat von Anfang an bei der Suche nach Elias geholfen. Helfer David Krause hat die Suche der freiwilligen Helfer nach Elias koordiniert. Beide sehen in dem Verfahren eine Art Abschluss. Sie sagen, sie hassen den Angeklagten nicht. "Durch die Taten haben drei Mütter ihren Sohn verloren", sagt Gabi Franz. Sie meint die Mütter von Elias und Mohamed, aber auch die Mutter von Silvio S. Dass die Frau ihren Sohn angezeigt habe, habe sie mit Respekt und Dankbarkeit aufgenommen.

Zunächst verhandelt das Gericht den Fall Elias. Mohameds Mutter, Aldiana Januzi, tritt als Nebenklägerin auf.