Prozess Prozess: Frankfurter Irrflieger steht jetzt vor Gericht

Darmstadt/ddp. - Die City wurde daraufhin gesperrt, der Betrieb amFrankfurter Flughafen eingestellt, und Abfangjäger gingen in dieLuft. Am Freitag, fast auf den Tag zehn Monate nach dem Irrflug,steht der ehemalige Psychologiestudent vor Gericht.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt will erreichen, dass er in denMaßregelvollzug kommt. Schon kurz nach dem glimpflichen Ausgang desDramas war S. auf Anordnung eines Richters in die Klinik fürForensische Psychiatrie im nordhessischen Haina eingewiesen worden.Der 32-Jährige gilt laut einem Gutachten als schuldunfähig. DerExpertise zufolge leidet er an einer Psychose, die sich unter anderemin Verfolgungswahn äußert. Nach Einschätzung seiner Ärzte stelltS. noch immer eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
Die Staatsanwaltschaft hat deshalb auf eine Anklage verzichtet.Statt in einem Strafprozess muss sich S. nun in einem sogenannten Sicherungsverfahren verantworten. Stellt das Gericht dortseine Schuldunfähigkeit fest, bleibt der 32-Jährige bis auf weiteresin der Psychiatrie.
Der Flug über Frankfurt lässt sich, was das Motiv betrifft, fürden Laien nur als die Tat eines geistig Verwirrten erklären. Inseiner Vernehmung gab S. an, er habe mit der Aktion an seingroßes Idol erinnern wollen: die Astronautin Judith Resnik, die 1986beim Absturz der US-Raumfähre Challenger ums Leben gekommen war unddie nach Ansicht S.s bis dato zu wenig gewürdigt worden war.Noch heute ist im Internet eine Fanseite freigeschaltet, dieS. eingerichtet hatte. Auf ihr finden sich Links zu Fotos undVideos, die Resnik zeigen.
Während seines Irrflugs hatte sich der 32-Jährige an den Tower desRhein-Main-Flughafens gewandt und eine Funkverbindung in die USAverlangt. Er wolle mit dem Bruder der verstorbenen Astronautinsprechen und dem Fernsehsender CNN ein Interview geben, teilteS. mit.
Seine Drohung, im Weigerungsfall mit dem Flugzeug in das Gebäudeder Europäischen Zentralbank zu stürzen, verdeutlichte S. nachDarstellung der Staatsanwaltschaft durch mehrere Sturzflüge auf dieHochhäuser und Hauptverkehrsstraßen. Nachdem eine Verbindung in dieUSA hergestellt war, konnte der Student knapp zwei Stunden nach demStart dazu überredet werden, zu landen.
Bei nicht wenigen Menschen waren am 5. Januar Erinnerungen an den11. September 2001 wach geworden. Schon nach den damaligenTerroranschlägen war darüber diskutiert worden, wie der Staat beiFlugzeugentführungen handeln soll. Darf eine Regierung eine gekaperteMaschine zum Abschuss frei geben, um einen von den Terroristenkontrollierten Absturz mit noch schlimmeren Folgen zu verhindern? DerIrrflug von Frankfurt hat der Debatte neue Nahrung gegeben.
Für das Sicherungsverfahren vor dem Landgericht Darmstadt istzunächst nur ein Verhandlungstag angesetzt. Gehört werden sollen dreiZeugen: der Pilot, von dem S. den Motorsegler raubte, einerder Angestellten aus dem Frankfurter Tower und ein Polizeibeamter.Außerdem wird S.s Gutachter aus der Forensik in Haina seineExpertise vorstellen.