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Prozess Prozess: 27 Monate Haft für Leichenschänder

10.05.2001, 10:14

Bamberg/dpa. - Der schmächtige Mann mit Bauchansatz und Brille nahm das Urteilohne äußere Regung auf. Der Vater von zwei Söhnen hatte im November1999 im oberfränkischen Buttenheim die Leiche der 14-jährigen Nicoleaus der Aussegnungshalle entwendet. Im Kofferraum seines Wagensschaffte er sie in ein Versteck. Dort verging er sich mehrfach anihr. Schließlich zerstückelte er den toten Körper.

In seiner Wohnung fanden die Ermittler rund 7000 auf CD-ROMgebrannte Fotos von Nicoles Leiche sowie tausende Kinder- undTierpornos aus dem Internet. Der Richter hob in seinerUrteilsbegründung insbesondere das Leid hervor, das der Mutter undden Angehörigen des toten und geschändeten Mädchens durch die Tatentstanden sei. «Der Angeklagte hat in ganz außergewöhnlicher Weisedie Menschenwürde verletzt», sagte Dengler.

Der Bauingenieur leide zwar an einer «schweren, langdauernden undbehandlungsbedürftigen Störung», sei seinem Trieb aber nicht völligausgeliefert gewesen. Vielmehr habe er seine Tat genau geplant. «Erhat ausgekundschaftet, wo die Leiche zu finden ist, Nachschlüsselbeschafft, die "Beute" gesichert und erst am nächsten Tag die Dingegemacht, die in der Anklage beschrieben sind», sagte Dengler. Dabeiunterbrach der Richter seine Ausführung, suchte selbst nach Worten,schüttelte den Kopf: «Ich habe Schwierigkeiten, das Geschehene zuformulieren.»

Der Angeklagte selbst äußerte sich während des gesamten Prozessesnur zwei Mal. Zum Auftakt ließ er seine Anwältin eine Erklärungverlesen, in der er die Tat einräumte. Zu weiteren Äußerungen seheer sich nicht im Stande. Nur einmal bricht er kurz sein Schweigen.Als er - eine Jutetasche geschultert - vor dem Urteil denSchwurgerichtssaal betritt, ruft er beinahe fröhlich ein «GutenMorgen» in die gespannte Stille hinein.

Der Vorsitzende Richter Dengler äußerte die Befürchtung, dasssich die Krankheit des Angeklagten noch verschlimmern könne. «Er istin Gefahr, sich zu steigern und seine Fantasie nicht nur auf Tote,sondern auch auf Lebende zu richten», erläuterte Dengler unterVerweis auf ein psychiatrisches Gutachten. Etwa sei im PC desComputerfans die Abbildung von der Tötung einer jungen Frau aus demInternet gefunden worden. Erst im Zuge der Ermittlungen war bekanntgeworden, dass der Mann für zwei weitere Fälle von Leichenschändung1981 und 1985 verantwortlich war, die nie aufgeklärt wurden.

Der Anklage-Vorwurf der Störung der Totenruhe werde mit einerHöchststrafe von drei Jahren dem Geschehen nicht gerecht, meinteDengler. «Hätte er einen Kerzenleuchter für 150 Mark gestohlen,hätte das Strafmaß bis zehn Jahre betragen.» Hier sei derGesetzgeber gefordert. Der Staatsanwalt hatte wegen dieses Deliktssowie wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder zwei Jahre undzehn Monate Haft gefordert. Die Verteidigung plädierte aufFreispruch.

Im Publikum wurde das Urteil mit Unverständnis aufgenommen. «Zuwenig, zu wenig», kommentierte ein Bamberger die Entscheidung. EinMann aus dem Nachbarort des geschändeten Mädchens meinte: «Er gehörtfür immer weg.» Auch ein Mitarbeiter der Baufirma des Vaters desAngeklagten hatte den Prozess verfolgt. Der Bauingenieur habe dieBeschäftigten immer gut behandelt, meint er. «So etwas hat keinervon uns gedacht - vielleicht kann er geheilt werden.»