Terrorismus Polizei durchsucht bei RAF-Fahndung Wagenburg und Wohnung
Nach der Festnahme der mutmaßlichen Ex-RAF-Terroristin Klette sucht die Polizei nach Komplizen. Bei Durchsuchungen am Sonntag kamen die Ermittler zumindest einem der gesuchten Männer wohl recht nah.
Berlin - Das Spezialeinsatzkommando (SEK) rückte mit gepanzertem Fahrzeug, Blendgranaten und viel Unterstützung an. Am frühen Sonntagmorgen durchsuchte die Polizei in Berlin Teile eines links-alternativen Bauwagengeländes - „im Zusammenhang mit der Fahndung“ nach den gesuchten Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub (69) und Burkhard Garweg (55), wie das federführende Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen mitteilte. Schnell wurde klar, dass die Gesuchten nicht dort waren. Am Abend folgte ein weiterer Einsatz ebenfalls im Stadtteil Friedrichshain.
Wenige Tage nach der Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette (65) in Berlin waren die Ermittler offenbar zumindest einem der Männer dicht auf der Spur: Sie gehen davon aus, dass Garweg eine Unterkunft auf dem durchsuchten Bauwagengelände genutzt hat. Ein Bauwagen-Container wurde beschlagnahmt. „Wir gehen davon aus, dass der Bauwagen-Container die Unterkunft von Burkhard Garweg gewesen ist“, sagte eine LKA-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur.
Weitere Durchsuchung am Abend
Am Abend durchsuchten Polizisten nur etwa zwei Kilometer entfernt eine Wohnung in der Nähe des Boxhagener Platzes. Die Maßnahmen stünden in Verbindung mit der Suche nach Staub und Garweg, sagte eine LKA-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet. „In der Wohnung wurde niemand angetroffen, folgerichtig gibt es dann auch keine Festnahme oder sonstige Dinge“, sagte die Sprecherin am späten Abend. Ob Spuren gefunden wurden, die die Ermittler bei der weiteren Suche helfen könnten, sagte sie nicht.
Auf der Straße standen während des Einsatzes vermummte Zivilpolizisten und ein Panzerfahrzeug, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Mehrere Dutzend Schaulustige versammelten sich, um die Vorgänge zu verfolgen. Der Eingangstür wurde von uniformierten Polizisten bewacht.
Bauwagen wird untersucht
Der beschlagnahmte Bauwagen sollte abtransportiert und sorgfältig untersucht werden. Es sei unklar, wie lange das dauern werde, sagte die LKA-Sprecherin. Wie lange Garweg die Unterkunft auf dem Bauwagengelände genutzt haben könnte, sagte sie nicht. Der „Tagesspiegel“ zitierte einen LKA-Sprecher, es sei ein „aktuellerer Zeitraum“. Der „Spiegel“ hatte zuvor berichtet, Garweg solle auf dem Gelände in einem Bauwagen gewohnt und sich dort oft aufgehalten haben.
Auf dem Bauwagengelände sind nach LKA-Angaben zehn Menschen angetroffen und zur Identitätsfeststellung vorläufig festgehalten worden. „Keine dieser Personen leistete Widerstand“, teilte das LKA weiter mit. Um Festnahmen habe es sich nicht gehandelt. Letztlich seien alle wieder entlassen worden. Die Ermittler waren auch am Abend noch vor Ort. Gegen 20 Uhr betrat ein Polizist das Gelände erneut mit einem Hund, wie ein dpa-Reporter beobachtete.
Vor 30 Jahren untergetaucht
Staub, Garweg und Klette waren vor über 30 Jahren untergetaucht. Alle drei gehörten zur dritten Generation der früheren linksextremistischen Terrororganisation RAF, die sich 1998 aufgelöst hatte. In der aktiven Terror-Zeit der dritten Generation wurden der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991) ermordet.
Gegen Klette, Staub und Garweg bestehen Haftbefehle wegen des Verdachts der Beteiligung an Terroranschlägen. Sie wurden beziehungsweise werden auch wegen mehrerer Raubüberfälle gesucht. Zwischen 1999 und 2016 sollen sie Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen überfallen haben. Ihnen wird auch versuchter Mord vorgeworfen, weil dabei geschossen wurde.
Wurde bei der Durchsuchung geschossen?
Unklarheiten gab es am Sonntag darüber, ob Polizisten bei der Durchsuchung auf dem Bauwagengelände schossen. Zunächst sprach die Polizei von Schussgeräuschen, zwischenzeitlich war konkret von Schüssen die Rede, später teilte das LKA schriftlich mit, es seien „Schussgeräusche wahrnehmbar“ gewesen. „Diese stehen im Zusammenhang mit einer Türöffnung. Personen sind dabei nicht verletzt worden.“
Der Einsatz begann nach Angaben des LKA gegen 7.30 Uhr am Markgrafendamm, einer unscheinbaren Straße am Rande der Innenstadt nahe dem Bahnhof Ostkreuz. Einige Autohändler sind dort zu finden, zwei bekannte Clubs liegen dort und eben seit Jahrzehnten auch das Gelände, das nach dem Mauerfall von einem links-alternativen Verein übernommen wurde und auf dem kleine alte Hallen und Werkstätten stehen sowie Bauwagen, in denen zum Teil Aussteiger wohnen. Auf Wänden und Transparenten stehen Parolen gegen Gentrifizierung und den genau dort geplanten Weiterbau einer Stadtautobahn, gegen den es viel Protest gibt.
130 Polizisten im Einsatz
Am Sonntagvormittag stauten sich dann zivile Busse des LKA Niedersachsen und blaue Berliner Polizeiwagen auf der Straße. Vermummte Polizisten hielten Kamerateams auf Abstand, Spurensicherer der Kripo gingen in weißen Overalls auf das Gelände. Polizisten aus Niedersachsen berichteten, sie seien bereits seit Freitag in Berlin, andere schon länger. Auch das Bundeskriminalamt war den Informationen zufolge beteiligt. Insgesamt waren nach den Angaben 130 Polizisten im Einsatz.
Mehrere junge Menschen, die mit Sonnenbrillen und Bierflaschen offenbar aus einem der Clubs kamen, zeigten sich eher unbeeindruckt. Andere Passanten betrachteten neugierig die Szenerie.
Rechtsanwalt: Kulturverein mit langer Tradition
Am Rande des Geschehens äußerte sich Rechtsanwalt Ulrich Kerner, der nach eigenen Angaben den Verein vertritt, der das Gelände betreibt. „Es ist ein Kulturverein hier am Markgrafendamm, der eine sehr lange Tradition hat, den es seit Anfang der 90er Jahre gibt. Hier gibt es Werkstätten, Ateliers, Proberäume - es ist eigentlich ein wichtiger Baustein der Friedrichshainer Kulturszene“, sagte Kerner. Er betonte, die Durchsuchungen richteten sich nicht gegen das ganze Gelände und den Verein, sondern gegen bestimmte Räumlichkeiten, die zu bestimmten Bewohnern gehörten. Die Polizei habe da sehr konkrete Vorstellungen gehabt und sei auch sehr gezielt vorgegangen im Rahmen des Durchsuchungsbeschlusses eines Richters.
Technisch verfremdete Fahndungsbilder veröffentlicht
Zuvor hatte das LKA Niedersachsen am Samstag mehrere aktuelle Fotos von Burkhard Garweg, einem der Gesuchten, veröffentlicht. Sie zeigen ihn im privaten Umfeld, zum Teil mit einem oder zwei Hunden - und in wesentlich besserer Qualität als die alten Fahndungsfotos, die es bisher gab. Ob die Fotos bei Daniela Klette nach ihrer Verhaftung am vergangenen Montag gefunden wurden, verriet die Polizei nicht. Zusätzlich wurden am Sonntag technisch verfremdete Bilder von Garweg veröffentlicht. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte Burkhard Garweg sein Aussehen verändert hat“, teilte das LKA mit. Die Vermittler veröffentlichten daher drei unterschiedliche Versionen desselben Fotos, auf denen Garweg entweder mit einer Kappe, einer Glatze oder einer Brille zu sehen ist.
Am Freitag hatte das Bundeskriminalamt (BKA) erneut die Bevölkerung um Unterstützung gebeten. „Nach Festnahme in Berlin Fahndung nach 2 mutmaßlichen ehemaligen Terroristen der RAF“, schrieb das BKA auf X (früher Twitter). Die Männer könnten sich ebenfalls in Berlin aufhalten. Möglicherweise seien sie gefährlich.