Umweltpolitik Pilotanlage zur Herstellung von „grünem Eisen“ in Betrieb
Die Stahlindustrie gehört zu den Branchen mit einem riesigen CO2-Ausstoß. Um die Branche klimafreundlicher zu machen, wird an Verfahren gearbeitet, die auf dem Einsatz von „grünem“ Wasserstoff setzen.
Lingen - In Lingen ist am Freitag eine neuartige Anlage zur klimaneutralen Herstellung von Eisen in Betrieb gegangen. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) und der Lingener Oberbürgermeister Dieter Krone (parteilos) drückten den symbolischen roten Knopf, um einen sogenannten Drehrohrofen zu starten.
Die Pilotanlage soll nach Angaben der Betreiber mit Hilfe von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff aus Eisenerz Roheisen gewinnen, das dann zu Stahl weiterverarbeitet werden kann. Allerdings steht grüner Wasserstoff in Lingen noch nicht sofort, sondern erst in einigen Monaten zur Verfügung.
Der Energiekonzern RWE baut derzeit in Lingen auf seinem Kraftwerksgelände in direkter Nachbarschaft zur Direktreduktionsanlage eine Pilotanlage zur Erzeugung grünen Wasserstoffs mit einer Kapazität von 14 Megawatt. Diese soll nach Angaben eines RWE-Sprechers Ende des Jahres in Betrieb gehen.
Lingens geografische Lage ist günstig für die Weiterverteilung des Wasserstoffs zu Stahlwerken im Ruhrgebiet oder nach Salzgitter in Ostniedersachsen. Genutzt werden soll Strom von Windparks in der Nordsee.
Die Anlage ist ein Gemeinschaftsprojekt des Startup-Unternehmens CO2Grab/HyIron, des Stahlherstellers Benteler und des Energieversorgers RWE. Das Land Niedersachsen fördert das Vorhaben mit drei Millionen Euro, sagte Meyer.
Bislang wird für die Eisenherstellung Kokskohle oder Erdgas verwendet. Dabei wird aber viel Kohlendioxid freigesetzt. Die Stahlindustrie sei die Branche mit dem höchsten Anteil von Treibhausgasemissionen in der deutschen Industrie, sagte Meyer. Sie trage mit rund sechs Prozent zu den deutschen Gesamtemissionen bei. „Der Dekarbonisierung der Roheisenproduktion kommt daher eine Schlüsselrolle zu, denn hier besteht das größte Potential, Emissionen zu reduzieren“, sagte Meyer.
Der Aufbau eines Netzwerkes von grünem Wasserstoff in Niedersachsen zeige, das auch künftig Industrie möglich sein werde, sagte Meyer. Niedersachsen sei das Bundesland mit der meisten Windenergie. „Die Industrie braucht Wasserstoff, dafür brauchen wir die Erneuerbaren“, erklärte der Minister.
Die Lingener Anlage soll auch als Testanlage für ein in Namibia geplantes Stahlwerk dienen. „In Namibia bauen wir mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz derzeit eine Produktion im industriellen Maßstab auf“, sagte Steffen Lackmann, Gesellschafter des „HyIron“-Verbundes. Langfristig solle dort eine Produktion im industriellen Maßstab aufgebaut werden, mit dem Ziel, bis zu zwei Millionen Tonnen Eisen jährlich für die deutsche Stahlindustrie zu produzieren. Diese Anlage soll laut Lackmann im nächsten Jahr gebaut werden.
Nach Angaben von CO2Grab-Projektmanager Simon Brügge genannt Feldhacke soll in Namibia das Eisenerz direkt an der Eisenerzmine zu Eisen umgewandelt werden, damit würden Transportwege gespart.
Eine Besonderheit des neuen Verfahrens in Lingen sei, dass sowohl das bei der Eisenproduktion anfallende Wasser wiederverwendet werden könne als auch überschüssiger Wasserstoff noch einmal in den Prozess gegeben werden könne. „Um den Prozess am Laufen zu halten, ist immer ein bisschen mehr Wasserstoff notwendig als laut chemischer Formel nötig“, erklärte er. Bei den bislang üblichen Verfahren müsse überschüssiger Wasserstoff nach dem Prozess verbrannt werden. Das neue Verfahren sei daher auch effizienter, was den Wasserstoffeinsatz angehe.