Osteuropäische Banden Osteuropäische Banden: Autodiebstahl auf Bestellung

Warschau/dapd. - Die Beamten hätten dort 144 Schmuggelversuche gestoppt und dabei Autos im Wert von rund drei Millionen Euro beschlagnahmt. Das ist fast ein Drittel mehr als 2010. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher liegen, denn es gibt eine große Dunkelziffer.
Gestohlen und geschmuggelt würden vor allem Fahrzeuge der Luxusklasse, erklärte der für die Region zuständige Leiter des Grenzschutzes, Leszek Czech, der polnischen Nachrichtenagentur PAP. „Eine solche Vielzahl von Autos dieser Klassen hatten wir lange nicht“, sagt er.
Die Daten aus Podlachien stammen aus einer Statistik der Behörden vor Ort. Sie sind eine Momentaufnahme, zumal es keine verlässliche internationale Gesamtübersicht gibt. Doch die Angaben passen zu Meldungen aus Deutschland, wonach die Zahl der Autodiebstähle in der Bundesrepublik 2011 leicht angestiegen ist, nachdem es zuvor seit den 1990er Jahren einen Rückgang um fast 80 Prozent gegeben hatte. Tatsächlich stammen die meisten gestohlenen Wagen, die an den polnischen Ostgrenzen beschlagnahmt werden, aus Westeuropa, insbesondere aus Deutschland.
Internationale Diebesbanden mit Satellitentechnik
„Es spricht viel dafür, dass sich dieser Trend weiter verstärken wird“, sagt Czech. Erst Anfang Februar sollte in Podlachien ein in Italien entwendeter Mercedes im Wert von 80.000 Euro nach Weißrussland geschmuggelt werden. „Meistens handelt es sich um Diebstahl auf Bestellung“, heißt es bei den Grenzschützern. Das bestätigt auch Oberst Marek Dyjasz, der bei der zentralen polnischen Polizeidirektion in Warschau für organisierte Kriminalität zuständig ist. „Wir haben es mit internationalen Diebesbanden zu tun“, sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Wichtigste Zielländer seien Russland, Weißrussland, die Ukraine und das EU-Land Litauen.
Polen selbst dagegen ist offenbar vor allem Transitland. Die Zahl der Autodiebstähle ging seit den 1990er Jahren ähnlich wie in Deutschland um fast 80 Prozent zurück. Dyjasz berichtet von technisch hoch gerüsteten Kriminellen, die Autos im Westen stehlen und sie im Konvoi auf abgelegenen Routen durch Polen Richtung Osten fahren. „Dabei verwenden sie Satellitentechnik, um Polizeiautos aufzuspüren.“ Oft würden Wagen aber auch in Einzelteile zerlegt und stückweise transportiert.
Wie die Diebe vorgehen, zeigte Ende vergangenen Jahres ein spektakulärer Fall in der Ukraine. Dort tauchte im Wagenpark von Justizminister Alexander Lawrinowitsch ein in Stuttgart gestohlener Mercedes GL 420 auf. „Das widerspricht nicht der Gesetzeslage unseres Landes“, erklärte der Politiker. Tatsächlich hatten die Diebe den Wagen im Wert von fast 80.000 Euro in die Ukraine gebracht und dort beschlagnahmen lassen. Einmal in Staatsbesitz, hatten die Behörden das Recht, das Fahrzeug selbst zu nutzen. Faktisch könnten die Täter den Wagen an das Ministerium weiterverkauft haben.
Bei der Strafverfolgung knirscht es im EU-Getriebe
Experten wie der Chef der ukrainischen Auto-Importeure, Oleg Nasarenko, gehen davon aus, dass der Betrug Methode hat. Demnach kaufen oder leasen in Deutschland gemeldete Mittelsmänner die teuren Fahrzeuge regulär und lassen sie in die Ukraine transportieren. Dort werden die Autos auf die eine oder andere Weise „legalisiert“, während in der Bundesrepublik die Versicherung für den angeblichen Diebstahl aufkommt.
Auch Katrin Rüter vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hält dies für ein gängiges Verfahren. „Bei jedem fünften bis zehnten Diebstahl dürfte es sich um Versicherungsbetrug handeln“, schätzt sie. Oft aber ist die Beweislage dünn. „Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Rüter. Hinzu kommt, dass es im gemeinsamen Kampf gegen internationale Autoschieberbanden noch im EU-Getriebe knirscht. „Unsere Vorschriften sind andere als beispielsweise die in Deutschland“, erläutert der Warschauer Chefermittler Dyjasz. Wenn die polnische Polizei Beweise gegen eine kriminelle Organisation vorbringe, seien die nicht immer vor einem deutschen Gericht zu verwerten - und umgekehrt. „Unsere Staatsanwaltschaften müssen aufgrund der Gesetzeslage mitunter anders ermitteln“, erklärt Dyjasz.
Neue Schwierigkeiten könnten auftauchen, wenn das Visa-Regime im Reiseverkehr zwischen der EU und der Ukraine beziehungsweise Russland neu geordnet wird. Seit langem bemühen sich Kiew und Moskau um eine Abschaffung der Visapflicht. Der freie Reiseverkehr werde es den Dieben erleichtern, unerkannt in westliche Zielländer ein- und wieder auszureisen, sagen Kritiker. Die Befürworter von Reiseerleichterungen betonen, dass allein durch die Visa-Verfahren kaum ein Verbrecher dingfest gemacht werde. Und sie verweisen auf das Beispiel Polen. Es sei vor allem die europäische Integration des Landes gewesen, die Autodieben jenseits der Oder die Geschäftsgrundlage genommen habe.