Soziales Ohne Wohnung nach Haft? Problem gefährdet Resozialisierung
Wer nach mehreren Jahren aus dem Gefängnis kommt, hat oft keine Wohnung, keinen Job und in vielen Fällen auch die sozialen Kontakte verloren. Insbesondere fehlender Wohnraum bringt die Resozialisierung in Gefahr.

Magdeburg - Fehlender Wohnraum für Menschen, die nach jahrelanger Haft in die Freiheit entlassen werden, ist aus Sicht der freien Straffälligenhilfe in Sachsen-Anhalt zunehmend in Problem. „Es gibt zu wenig Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen entsprechend dem Leistungsspektrum der Jobcenter, die halbwegs zentral gelegen sind“, erklärte Jennifer Schmidt, Projektleiterin beim Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung, in Magdeburg. Sie schätzt, dass in etwa 40 Prozent der Fälle keine Wohnung vermittelt werden kann. Das Risiko einer Rückfälligkeit steige. Wohnraum ein wichtiger Baustein, um Stabilität zu schaffen im Leben der Menschen.
„Viele soziale Felder buhlen um diese Wohnungen.“ Dazu gehörten die Jugendhilfe, die Obdachlosenhilfe ebenso wie Geflüchtete etwa aus der Ukraine. Und auch Studierende, Alleinerziehende und Alleinlebende suchten kleine Wohnungen, meist in zentraler Lage. Aufgrund der Stigmatisierungen hätten es die Haftentlassenen besonders schwer, an Wohnraum zu kommen. Viele haben Schulden. Sie in ländlichen Regionen unterzubringen, berge das Problem, dass die Infrastruktur fehle, um zu einer Arbeitsstelle zu kommen, wie auch zu Beratungsstellen und Therapiemöglichkeiten, so Schmidt.
Anders als die zunehmend schwierigere Wohnungssituation sei die Vermittlung in Arbeit einfacher geworden, sagte Schmidt. Es würden Arbeitskräfte gesucht und in den allermeisten Fällen wollten die ehemaligen Gefangenen auch einem Job nachgehen.
Die Vereine, die flächendeckend in Sachsen-Anhalt arbeiteten wollen gemeinsam mit dem Sozialen Dienst der Justiz sogenannte Entlassungslöcher vermeiden oder ausgleichen, so dass die Entlassenen nicht wieder in die Kriminalität abgleiten. Der Soziale Dienst der Justiz ist etwa zuständig für die Bewährungshilfe und Führungsaufsicht. Die Vereine der Straffälligenhilfe handeln im Auftrag der Verurteilten, die entscheiden, welche Hilfe sie in Anspruch nehmen wollen. Die Angebote der freien Straffälligenhilfe gerade im Bereich der Entlassungshilfe sind grundlegend freiwillig. 2022 wurden knapp 950 Kurzberatungen und 270 Langzeitbetreuungen registriert, 94 Angehörige wurden beraten.
Es gehe erstmal um die Alltagsbedürfnisse Geld, Wohnung, Krankenversicherung und darum, Stabilität in das Leben zu bringen, erklärte Schmidt. Häufig bringen die Männer und Frauen eine Vielzahl von Problemen mit: Schulden, Sucht, Arbeitslosigkeit, fehlendes soziales Umfeld und eine Alltagsentwöhnung. Einige hätten nie gelernt, eine eigene Wohnung zu führen.
Nachholbedarf sieht Jennifer Schmidt bei der Arbeit mit Angehörigen der straffällig gewordenen Menschen. „Man kommt mit dem Thema erst in Berührung, wenn man betroffen ist. Und dann ist die Scham, Hilfe in Anspruch zu nehmen, oft sehr hoch.“ Es gehe zum Beispiel um Bedarfsgemeinschaften, in denen der Inhaftierte fehle - es komme vor, dass die Partnerin und ein Kind dann aus der zu groß gewordenen Wohnung ausziehen müssten.
„Der Fokus ist sehr stark auf die Männer ausgerichtet“, sagte Schmidt. „Es fehlt an expliziten Angeboten für Kinder von Straffälligen.“ Und auch für Frauen, die in Haft sind und entlassen werden, fehlten Angebote. Sie machten etwa sechs Prozent der Inhaftierten aus. Täterinnen hätten andere Bedürfnisse als die Männer. „Die Folgen der Haft sind soziale Isolation und die Entfremdung von Familie und Freunden, die einen meist höheren Betreuungsbedarf nach sich ziehen“, erklärte Schmidt. Zudem hätten die Frauen häufiger Kinder und es müsse ein Bezug hergestellt werden aus einem Heimkontext zurück. Zudem sei die Stigmatisierung haftentlassener Frauen deutlich größer als bei Männern.