Bundesamt Offshore-Ausbau: Genehmigungskriterien nicht aufweichen
Beim Ausbau der Offshore-Windenergie drückt die Ampel-Regierung aufs Tempo. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie muss Flächen für Tausende Windräder finden. Ist diese Aufgabe lösbar?
Hamburg - Der von der Bundesregierung angestrebte Ausbau der Offshore-Windenergie bedeutet die Bebauung von bis zu einem Viertel der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee mit Windparks. Etwa 20 bis 25 Prozent der Fläche würden die Windparks nach Berechnung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) einnehmen. „Wobei man nicht vergessen darf, dass ein Windpark aus einzelnen Turbinen besteht, die einen Abstand von 800 bis 1000 Meter zueinander haben“, sagte der Leiter der Abteilung „Ordnung des Meeres“, Nico Nolte, am Dienstag in Hamburg. Er sei aber optimistisch, dass das Bundesamt seine ambitionierten Aufgaben bewältigen werde.
Zur Ausschließlichen Wirtschaftszone - früher 200-Meilen-Zone genannt - gehören knapp 33.000 Quadratkilometer von Nord- und Ostsee, die außerhalb des Hoheitsgebiets liegen, aber von Deutschland wirtschaftlich genutzt werden dürfen. Zum Vergleich: An Land sollen für den Ausbau der Windenergie laut Bundesumweltamt zwei Prozent der Fläche zur Verfügung gestellt werden.
Bundesregierung will 70 Gigawatt Windkraft auf See bis 2045
Die Ampelregierung will die installierte Leistung der Offshore-Windenergie bis 2045 auf 70 Gigawatt steigern. Zurzeit stehen 1564 Windräder mit einer Gesamtleistung von 8,4 Gigawatt vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Aktuell im Bau befinden sich vier weitere Windparks mit einer Leistung von 2,54 Gigawatt. Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie Offshore Anlagen mit einer Leistung von 0,257 Gigawatt hinzu, in diesem Jahr sollen es 0,718 Gigawatt sein.
Der aktuelle Flächenentwicklungsplan des Bundesamts enthält das Ausbauziel von 30 Gigawatt bis 2030. In der nächsten Überarbeitung sollen geeignete Flächen für den Ausbau bis 70 Gigawatt im Jahr 2045 identifiziert werden. Gemessen an der durchschnittlichen Leistung der gegenwärtigen Windräder müssten in 22 Jahren mehr als 13.000 Anlagen vor den deutschen Küsten stehen, also gut achtmal so viele wie jetzt. Dabei ist nach Angaben des Bundesamts zu beachten, dass eine Windkraftanlage nur 20 bis 25 Jahre betrieben werden kann, die meisten bestehenden Windräder also bis 2045 ersetzt werden müssen.
Keine Absenkung der Standards für Naturschutz
„Die Energiewende verändert die Nutzung von Nord- und Ostsee in einem nie dagewesenen Umfang“, sagte der Präsident des Bundesamts, Helge Heegewaldt. Die Konkurrenz um Flächen mit Fischerei und Seefahrt wachse. Er betonte aber: „Wir sind überzeugt, dass die Offshore-Windenergie ein elementarer Baustein zur Umgestaltung unseres Energiesystems und zur Eindämmung des Klimawandels ist.“ Nolte versicherte, dass es bei der Ausweisung der Flächen und der Genehmigung der Anlagen bei den hohen Standards für den Meeresnaturschutz bleiben werde: „Da wird es keine Absenkung der Standards geben.“ Zugleich erklärte er, dass Windparks sich auch zu Rückzugsräumen für Meereslebewesen entwickelten. Die Fundamente der Windkraftanlagen würden sofort von Muscheln und Algen besiedelt, die Fische anlockten. Von der bodennahen Fischerei würden die Tiere im Umkreis von Windparks in Ruhe gelassen.
Küsten durch Sturmfluten gefährdet
Die Sicherheit der Küsten werde auch in Deutschland zunehmend durch extreme Naturereignisse gefährdet, sagte Heegewaldt. Seit Mitte September habe es 16 Sturmfluten an der Nordsee gegeben. Normalerweise würden zwischen dem 15. September und 31. März nur vier bis sechs Sturmfluten verzeichnet. An der Ostsee seien vom 19. bis 21. Oktober 2023 die höchsten Wasserstände seit 1872 gemessen worden. In Flensburg stieg das Wasser auf 2,27 Meter über den mittleren Wasserstand. Mit 54 Stunden habe die Sturmflut auch ungewöhnlich lange gedauert. Wetterereignisse dieser Art würden vom steigenden Meeresspiegel begünstigt, erklärte der BSH-Präsident.
Ostsee profitiert von Nordsee-Sturmflut
In Langzeitbeobachtungen zeigten sich allerdings keine signifikanten Änderungen bei der Häufigkeit der Sturmfluten. Dabei könnten diese Naturereignisse auch positive Folgen haben. „Unsere Patientin, die Ostsee, leidet seit Jahren unter Sauerstoffmangel“, sagte Heegewaldt. Die vom Tief „Soltan“ verursachte Sturmflut habe im Dezember 200 Kubikkilometer sauerstoffreiches Nordseewasser mit rund 1,6 Gigatonnen Salz in die Ostsee gespült. Das seien 20 Prozent der normalen Jahreszufuhr. „Dieses Nordseewasser verteilt sich nun in der Ostsee. Es könnte Regionen erreichen, die nur selten belüftet werden“, sagte Heegewaldt.