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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Schwerer Gang für Mircos Mutter

Von Tonia Haag und Ulrich Breitbach 14.07.2011, 11:39

Krefeld/dapd. - Ihre Stimme ist klar, als Mircos Mutter von ihremSohn erzählt. Lebhaft sei der Zehnjährige gewesen, offenherzig.Angst habe er nur selten gezeigt, sagt die 35-Jährige, als sie amDonnerstag vor dem Landgericht Krefeld im Prozess um den Mord anihrem Sohn aussagt - und zum ersten Mal auf den mutmaßlichenPeiniger ihres Kindes trifft.

Wer sie so sprechen hört und mit den Händen gestikulieren sieht,ist überrascht über die Kraft, die die Verkäuferin aus Grefrathaufbringt. Nicht ein Räuspern, nicht ein Zittern in der Stimmeverrät, welche Belastung der Gang vor Gericht für sie sein muss. Undauch ihr Mann, der auf der Bank der Nebenkläger Platz genommen hat,wirkt gefasst.

«Es war wichtig für sie, für ihren Sohn, für ihren verstorbenenSohn, dass sie das einfach schaffen mussten», sagt Anwältin GabrieleReinartz zum Erscheinen der Eltern vor Gericht. Sie seien es Mircoeinfach schuldig gewesen, einmal dem Angeklagten, dem mutmaßlichenMörder ihres Kindes, gegenüberzutreten.

Einen Blick auf Olaf H. wagt Mircos Mutter zunächst jedoch nicht.Während sie befragt wird, blickt sie strikt geradeaus auf denVorsitzenden Richter Herbert Luczak. Nach links, zur Anklagebank,auf der Olaf H. sitzt, wendet sie den Kopf nicht ein einziges Mal,als sie von Mirco und seiner engen Verbindung mit seinem Fahrraderzählt, das nach dem Mord an dem Jungen entdeckt wurde.

«Für uns war es ein Unding, das Fahrrad ohne Mirco zu finden»,berichtet die Mutter Sandra S. Der Junge habe schließlich an dem Radgehangen, selbst Freunde ließ er nur selten auf den Sattel steigen.«Mirco und das Fahrrad waren eine Einheit», sagt seine Mutter. Erhabe dafür gekämpft, es sich zum Teil selbst zusammengespart, umendlich ein richtiges Jungenrad zu haben und kein Mädchenrad mehr.

Olaf H., der als seine Hobbys seine Familie, Haus und Gartenangibt, scheint Mircos Mutter aufmerksam zuzuhören, als sieberichtet, wie selbstbewusst und lebhaft Mirco gewesen sei. «Er hateinem ins Gesicht gesagt, was er wollte und was nicht», erinnertsich die 35-Jährige. Beim Essen habe er oft «mit allem Möglichen»auf den Tisch geklopft - «was jetzt natürlich fehlt».

Als Mircos Freunde befragt werden, die ihn am Abend vor seinemTod noch sahen, starrt Olaf H. meist geradeaus oder senkt den Blick.Einen schönen Tag hätten sie gemeinsam verbracht, berichten dieKinder und Jugendlichen. Erst seien sie nach der Schule im Kinogewesen, später noch kurz an der Skaterbahn vorbeigegangen. Mircosei gut gelaunt gewesen, sagt ein Mädchen.

Seine Mutter machte sich zu der Zeit jedoch offenbar bereitsSorgen über die lange Abwesenheit ihres Sohnes und rief eineBekannte, die 17-jährige Marcella, an. «Mirco, es ist dunkel, fahrbitte nach Hause», habe die Bekannte dem Jungen dann gesagt unddieser sei sofort losgefahren - ohne jedoch jemals zu Hauseanzukommen.

Das Schicksal des getöteten Jungen bewegt auch am zweitenVerhandlungstag viele Menschen. Vor dem Gericht hat sich am Morgenerneut eine Schlange Schaulustiger gebildet, die in den Gerichtssaalwollen. Wieder ist der Andrang größer als die Zahl der Plätze imVerhandlungssaal.

Auf dem Bürgersteig gegenüber dem Eingang haben MenschenGrablichter auf ein schwarzes Tuch gestellt. Irgendjemand hat einFoto des Zehnjährigen aufgestellt und dazugeschrieben: «Du fehlstuns». Auf einem Plakat hat jemand seiner Wut Ausdruck verliehen:«Olaf H., sei froh, dass ein Richter Dich verurteilt. Kreaturen wieDu haben leider Rechte. Das Urteil des Volkes wäre Deine gerechteStrafe», heißt es dort.

Etwas abseits steht ein junger Mann in abgewetzten Jeans undJeansjacke. Er sei Mircos Nachbar gewesen, habe oft mit dem JungenFußball gespielt, sagt er. Nun habe er sich vorgenommen, an allenVerhandlungstagen nach Krefeld zu kommen, um Mirco zu gedenken. Daseinzige Urteil für Mircos mutmaßlichen Mörder ist für ihnlebenslänglich. «Der Täter», sagt er, «darf nie wieder auf freienFuß».

Der mutmassliche Mörder des zehnjährigen Mirco, Olaf H., betritt am Donnerstag in Krefeld den Sitzungssaal des Landgerichtes. (FOTO: DPA)
Der mutmassliche Mörder des zehnjährigen Mirco, Olaf H., betritt am Donnerstag in Krefeld den Sitzungssaal des Landgerichtes. (FOTO: DPA)
dapd-POOL