Jahreswechsel Nordmetall: In Deutschland energiepolitischen Blindflug
Die Energiewende muss kommen, um das Klima zu retten. Darin sind sich die meisten einig. Aber der Weg dahin birgt noch viele Fragezeichen - und ist aus Sicht der Wirtschaft oft unkalkulierbar.
Hamburg - Die Metall- und Elektroindustrie in Norddeutschland wirft der Bundesregierung einen energiepolitischen Blindflug vor. Beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft „kennen wir praktisch die Landeplattform noch nicht“, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Nordmetall, Folkmar Ukena, der Deutschen Presse-Agentur. „Zu welchen Kosten können wir und müssen wir unsere Produkte produzieren? Sind wir dann noch wettbewerbsfähig?“
Zusammen mit den ohnehin im internationalen Maßstab hohen Energiekosten hierzulande sprach Ukena von einem doppelten Klotz am Bein. „Und ich merke auch, dass es viele Unternehmen gibt, die infolge dieser ungünstigen Kostensituation Geld verlieren, das sie eigentlich für den Transformationsprozess brauchen“, sagte der Nordmetall-Präsident. „Aber diese Transformation ist ein absoluter Blindflug.“
Aus seinem eigenen Unternehmen, dem Hersteller von Gussprodukten und Heizgeräten Leda im ostfriesischen Leer, berichtete Ukena: „Wenn ich die Umstellung auf elektrisches Schmelzen in unserer Gießerei jetzt schon umgesetzt hätte, dann wäre ich übermorgen sicherlich im aktuellen Markt nicht mehr existenzfähig, weil ein wettbewerbsfähiger Preis nicht mehr darstellbar ist.“ Das Argument einer technologischen Vorreiterschaft der Industrie helfe dabei nicht, „weil diese Transformation dann so viel Kapitalverzehr verlangt, dass die Firmen unter Umständen nicht mehr existieren“.
Nordmetall repräsentiert 270 Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und im nordwestlichen Niedersachsen.
An die Adresse der Bundesregierung sagte Ukena: „Wenn ich mir was für die Zukunft wünschen darf, dann, dass diese Ampelkoalition endlich mal aufwacht und sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiert.“ Die Regierung müsse den Unternehmen den Weg aufzeigen, „den wir verlässlich in die Zukunft gehen können, auf dem wir Kosten abschätzen können und gleichzeitig die Klimaziele deutlich einhalten“. Es herrsche die Meinung, dass die Klimaziele nur in ganz bestimmten Schritten erreicht werden könnten, die immer schneller hintereinander folgen und immer größer sein müssten. „Aber der Blick auf die Praxis, der ist nicht vorhanden. Und der Weg, das umzusetzen, der ist teilweise unbekannt.“
Kritisch sieht Ukena auch die Konzentration auf erneuerbare Energien in Deutschland. Diese versetzt „uns nicht in die Lage, den entsprechenden Energiebedarf zum richtigen Preis bereitzustellen“, sagte er. „Insbesondere wenn wir die Klimapolitik analysieren, merken wir, dass sich alle Nachbarn um uns herum neu orientieren, das Thema Kernenergie neu einstufen und wir allein mit dem Fuß auf der Bremse stehen.“
Während Deutschland nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima beschlossen hatte, aus der Atomenergie auszusteigen, setzen andere Staaten wie beispielsweise Frankreich massiv auf Kernenergie. Auf der jüngsten Weltklimakonferenz hatte sich das Land zusammen mit etwa 20 anderen Staaten dafür stark gemacht, zum Wohle des Klimas die Energieerzeugung aus Atomkraft deutlich hochzuschrauben.