Freiwilliges Soziales Jahr Noch unbesetzte FSJ-Stellen in Niedersachsen
Bundesweit absolvieren immer weniger junge Menschen ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst. Sind die Gründe dafür bekannt?
Hannover - Trotz Starts der meisten Freiwilligendienste in diesem Jahr gibt es in Niedersachsen noch freie Stellen in dem Bereich. Etwa beim Technischen Hilfswerk (THW) oder der Johanniter-Unfall-Hilfe seien noch Stellen unbesetzt, teilten die Einrichtungen mit. Die Branche macht sich laut einer stichprobenartigen Umfrage der Deutschen Presse-Agentur Sorgen und fordert eine Aufwertung des Freiwilligen Soziales Jahres (FSJ) und des Bundesfreiwilligendienstes (BFD). Die meisten FSJ und BFD starteten zum 1. August oder zum 1. September.
Die Johanniter teilten mit, dass es auch noch möglich sei, Stellen zum 1. Oktober oder später anzutreten. Auf der Internetseite der Johanniter gibt es einen Überblick über offene Stellen - etwa in der Ganztagsschulbetreuung in Hannover oder beim Hausnotrufeinsatz in Celle.
Andere Einrichtungen haben hingegen keine Probleme, ihre Stellen zu besetzen. „Wir haben deutlich mehr Bewerber als Stellen und hatten noch nie Probleme, diese zu besetzen“, sagte die Leiterin der Freiwilligendienste bei der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen, Juliane von Ihlten. Die Vereinigung koordiniert in Niedersachsen das FSJ in der Kultur.
Mehrheit der Freiwilligen ist weiblich
Ein Freiwilligendienst ermöglicht jungen Menschen ab 16 Jahren, für maximal 18 Monate einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen, sich zu orientieren und sich weiterzuentwickeln.
In Niedersachsen gab es im August allein im Bundesfreiwilligendienst 4.070 Menschen. Davon waren etwa zwei Drittel weiblich; die Mehrheit der Freiwilligen hatte Abitur. Wie viele Menschen ein FSJ machen, ist nicht bekannt, weil nicht alle Stellen systematisch erfasst werden, wie das Niedersächsische Landesamt für Jugend, Soziales und Familie mitteilte. Bundesweit ist die Zahl der Freiwilligen laut Bundesjugendministerium seit 2019 rückläufig.
Doch warum bleiben Stellen teilweise unbesetzt? „Wir stehen beim Freiwilligen Sozialen Jahr in Konkurrenz zu anderen Anbietern“, sagte Sylke Heun, Pressesprecherin des Regionalverbandes Niedersachsen-Mitte der Johanniter. Freiwilligen-Stellen seien zudem im ländlichen Raum weniger attraktiv, sagte der Vorsitzende des Sportvereins ASC Göttingen, Dennis Ehrenberg. Der ASC koordiniert in Niedersachsen das FSJ im Sport zusammen mit dem Landessportbund. In Ballungsgebieten falle die Vergabe viel leichter.
Maximal 604 Euro Lohn
Freiwilligendienstleistende erhalten nur ein Taschengeld für ihre Vollzeittätigkeit. Aktuell beläuft sich der Lohn in Niedersachsen nach Behördenangaben für ein FSJ auf maximal 324 Euro und für den BFD auf maximal 604 Euro.
Bei den Johannitern etwa, wo im Dezember 227 Menschen einen Freiwilligendienst machten, beträgt das Taschengeld 543 Euro. Darin sind eine Verpflegungspauschale und Unterkunft eingeschlossen. Freiwillige müssten somit während ihres Dienstes bei den Eltern wohnen bleiben oder seien auf zusätzliche Unterstützung angewiesen, sagte Ehrenberg.
Er hält es auch für denkbar, dass die rückläufigen Freiwilligenzahlen noch Nachwirkungen der Umstellung des Abiturs von acht auf neun Jahre und der Corona-Pandemie sind. Beim FSJ im Sport würden sich die Freiwilligenzahlen bereits wieder erholen.
„Das FSJ müsste definitiv attraktiver werden“
„Ein Freiwilligendienst sorgt für persönliche Entwicklung und ist ein Dienst an der Gemeinschaft. Es wäre wünschenswert, wenn auch mehr Menschen aus finanziell schwächeren Familien daran teilnehmen könnten“, betonte Bodo Dannhöfer, der bei den niedersächsischen Johannitern für die Freiwilligendienste verantwortlich ist.
FSJ und BFD bleibe vor allem privilegierten Schulabgängern vorbehalten, die auf die Unterstützung ihres Elternhauses bauen können. „Das FSJ müsste definitiv attraktiver werden, da wir sonst Gefahr laufen, unter anderem vom Minijob abgehängt zu werden“, warnt auch Azra Avdagic vom Deutschen Roten Kreuz in Niedersachsen. Dannhöfer schlägt aus dem Grund eine Angleichung des staatlich finanzierten Freiwilligengeldes ans Bafög-Niveau vor.