Neuseeland Neuseeland: Zahlreiche Tote nach verheerendem Erdbeben

Christchurch/afp. - Es ist das verheerendste Erdbeben in Neuseeland seit 80 Jahren: Ein Erdstoß der Stärke 6,3 erschütterte am Dienstag um 12.51 Uhr Ortszeit (00.51 Uhr MEZ) die Stadt Christchurch - als Büros, Schulen, Straßen und Cafés der 340.000-Einwohner-Stadt voll mit Menschen waren. Nach Angaben von Premierminister John Key wurden mindestens 65 Menschen getötet.
Zahlreiche Gebäude, darunter mehrstöckige Büroblocks, eine Herberge und der Turm der Kathedrale, stürzten ein. Straßen brachen auf, von der sechsstöckigen Zentrale von Canterbury TV blieben nur noch Trümmer übrig. Linienbusse wurden durch herabfallende Betonteile zertrümmert, ein Tourist wurde in seinem Auto erschlagen. Medienberichten zufolge schickten Verschüttete verzweifelt SMS an ihre Angehörigen. Christchurchs Bürgermeister Bob Parker schätzte in einem Radiointerview die Zahl der Eingeschlossenen auf bis zu 200.
"Ich weiß, dass ich blute, und ich fühle, dass der Boden ziemlich nass ist - ich glaube, es ist Blut», berichtete Anne Voss per Telefon einem Fernsehsender, während sie unter ihrem Schreibtisch in einem schwer getroffenen Gebäude eingeschlossen war. Sie höre ihre Kollegen um Hilfe rufen: «Ich weiß nicht, in welcher Verfassung sie sind, aber ich kann ab und zu hören, wie sie um Hilfe rufen.» Auch mehrere Japaner, die sich zu einer Studienreise im Land aufhielten, wurden japanischen Medienberichten zufolge verschüttet.
Tausende Menschen rannten in Panik auf die Straße. Rettungskräfte und freiwillige Helfer suchten in den Trümmern nach Verschütteten. Immer wieder mussten sie ihre Arbeit wegen Nachbeben unterbrechen. Diese erreichten teilweise immer noch eine Stärke von 5,6. «Ich dachte wirklich, das war's», sagte Miranda Newbury, die aus dem dritten Stock eines Gebäudes durch ein dunkles, zerbröckelndes Treppenhaus entkam. «Als ich endlich draußen war, war dort überall Staub - es sah aus wie in einem Kriegsgebiet.»
Key sprach von einer «Tragödie» für die Stadt und das ganze Land. «Wir sind Zeugen des schwärzesten Tages Neuseelands», sagte er. «Die Menschen sitzen Hand in Hand am Straßenrand - das ist eine Gemeinde in völligem Leid», sagte Key und warnte vor weiteren Todesopfern. «Was noch vor einigen Stunden eine lebendige Stadt war, ist jetzt in die Knie gezwungen.» Großbritanniens Queen Elizabeth II., die auch Staatsoberhaupt Neuseelands ist, zeigte sich «völlig geschockt» und sprach den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus.
Durch die Katastrophe waren Tausende ohne Strom, Handy-Netze waren unterbrochen, der Flughafen wurde geräumt. Wasserleitungen brachen auf, wodurch ein reißender Strom zu Überschwemmungen in Teilen der Stadt führte. Im Fernsehen war ein Erdrutsch zu sehen, der ein Gebäude traf. Parker rief einen fünftägigen Notstand aus. Rettungskräfte seien auch aus Australien und den USA unterwegs. Zudem hätten Singapur, Israel und die EU Hilfe angeboten.
Christchurch war bereits am 4. September von einem Beben der Stärke 7,0 erschüttert worden. Rund 100.000 Häuser wurden damals beschädigt, Menschen aber kamen nicht ums Leben, obwohl der Erdstoß dieselbe Stärke wie das Beben in Haiti hatte, bei dem 2010 rund 220.000 Menschen starben. Nach Angaben von Seismologen war das Beben am Dienstag trotz seiner geringeren Stärke verheerender als im September, weil das Zentrum der Erschütterung näher an der Erdoberfläche lag.