1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Neuer Prozess: Dem «Kannibalen von Rotenburg» droht lebenslang

Neuer Prozess Neuer Prozess: Dem «Kannibalen von Rotenburg» droht lebenslang

Frankfurt/Main/dpa. - Wenn von diesemDonnerstag (12. Januar) an der Prozess gegen den 44 Jahre altenAngeklagten Armin Meiwes komplett neu aufgerollt wird, fangen dieJuristen wieder bei Null an, nahezu jedes blutige Detail wird vorder 21. Strafkammer des Landgerichts ausgebreitet werden. Dennochdeutet bereits vieles auf eine lebenslange Haftstrafe für Meiweshin. Im Frühjahr 2001 hatte der EDV-Experte einen Berliner Ingenieurauf dessen Verlangen entmannt, getötet, zerlegt und schließlich inTeilen ...

Von Christian Ebner 11.01.2006, 09:01
Der "Kannibale von Rotenburg", der 42 Jahre alte Computerspezialist Armin Meiwes, schaut am Montag (08.12.2003) zu Beginn des zweiten Verhandlungstags am Kasseler Landgericht zu seinem Anwalt. (Foto: dpa)
Der "Kannibale von Rotenburg", der 42 Jahre alte Computerspezialist Armin Meiwes, schaut am Montag (08.12.2003) zu Beginn des zweiten Verhandlungstags am Kasseler Landgericht zu seinem Anwalt. (Foto: dpa) dpa

Wenn von diesemDonnerstag (12. Januar) an der Prozess gegen den 44 Jahre altenAngeklagten Armin Meiwes komplett neu aufgerollt wird, fangen dieJuristen wieder bei Null an, nahezu jedes blutige Detail wird vorder 21. Strafkammer des Landgerichts ausgebreitet werden. Dennochdeutet bereits vieles auf eine lebenslange Haftstrafe für Meiweshin. Im Frühjahr 2001 hatte der EDV-Experte einen Berliner Ingenieurauf dessen Verlangen entmannt, getötet, zerlegt und schließlich inTeilen gegessen.

Sehr eindeutig hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dasvor zwei Jahren gefällte Urteil des Landgerichts Kassel auseinandergenommen, das Meiwes wegen Totschlags lediglich für achteinhalbJahre hinter Gitter schicken wollte. Die Kasseler Richter hätten zuUnrecht gleich mehrere Mordmerkmale abgelehnt, hieß es in derRevisionsentscheidung. Das Frankfurter Gericht muss nun imKarlsruher Auftrag prüfen, ob Meiwes nicht doch in erster Linie zursexuellen Lustbefriedigung getötet hat und um andere Straftaten erstzu ermöglichen, wie etwa die Störung der Totenruhe und dieVerbreitung der Gewaltbilder im Internet.

Trotz der überdeutlichen Vorgaben aus Karlsruhe werden sich dieJuristen mit der Einmaligkeit des Rotenburger Falls auseinandersetzen müssen. Und die besteht nicht in den Blut triefenden Detailsaus dem nordhessischen Schlachtkeller eines gottverlassenenGutshofes in Rotenburg-Wüstefeld, denn Kannibalismusfälle hat esauch in Deutschland immer wieder gegeben.

Ohne Beispiel ist vielmehr der Umstand, dass Täter und Opfer, diesich zuvor im Internet gefunden hatten, wohl im vollenEinverständnis handelten, so gestört sie in ihrenPersönlichkeitsstrukturen auch waren. Meiwes Anwalt Harald Ermel hataus diesem Grund eine Verurteilung wegen der «Tötung auf Verlangen»beantragt, mit einem Strafrahmen zwischen einem halben und fünfJahren Haft. Ermel wird in Frankfurt wieder dabei sein, wie auchsein Kasseler Gegenüber, der Staatsanwalt Marcus Köhler, der in derZwischenzeit nach Frankfurt versetzt worden ist.

Dass selbstlose Sterbehilfe hinter dem blutigen Schlachtritualstehen könnte, hatten aber schon die Kasseler Richter verneint. AlsBeleg für die Allmachtsfantasien des Kannibalen dientebeispielsweise der Satz aus einem Meiwes-Brief: «Es ist ein irresGefühl, der Herrscher über einen anderen zu sein und ihn inPortionen zu schneiden.» Der Psychiater Georg Stolpmann ausGöttingen und der Berliner Sexualwissenschaftler Klaus Beierbescheinigten Meiwes in ihren Gutachten eine «schwere seelischeAbartigkeit mit schizoiden Zügen», gleichzeitig aber auch die volleSchuldfähigkeit. Damit fehlte die juristische Grundlage, Meiwes indie Psychiatrie zu schicken, wo er nach Meinung etwa des KasselerRichters Volker Mütze hingehört.

Die Psyche des Täters wird in dem neuen Prozess ebenfalls nocheinmal gründlich beleuchtet. Dass etwas anderes dabei herauskommt,scheint aber schon deshalb unwahrscheinlich, weil nach Auskunft desFrankfurter Gerichts die selben Gutachter geladen sind.

Der emeritierte Gießener Kriminologe Arthur Kreuzer hat den BGHwegen seines harten Revisionsspruchs schwer gescholten undgleichzeitig konstruktive Vorschläge gemacht, wie die Gesellschaftmit Leuten wie Meiwes besser umgehen sollte. Er regte an, dieeigentlich gemeingefährlichen Gewohnheitsverbrechern vorbehalteneSicherungsverwahrung auf Ersttäter auszuweiten, wenn bei ihnen dieWiederholungsgefahr festgestellt werden könne. Der vor Gericht stetsbeflissen auftretende «Kannibale von Rotenburg» hat nie einen Hehldaraus gemacht, dass er auch nach seiner Tat neue Schlachtopfergesucht hat - und dies bei Gelegenheit auch wieder tun würde.