Fußball-Nationalmannschaft Neuer-Ära in DFB-Team vorbei: „Tag musste irgendwann kommen“
Nach eineinhalb Dekaden und acht großen Turnieren als Nummer eins ist für Manuel Neuer Schluss im Tor der Nationalmannschaft. Das EM-Aus gegen Spanien war sein letztes Länderspiel.
München - Eine große deutsche Torhüter-Ära ist zu Ende. Eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Debüt in der Nationalmannschaft setzt sich Manuel Neuer vor eine Kamera und sagt: „Irgendwann musste der Tag ja kommen.“ Ohne Tränen, sondern vielmehr zufrieden lächelnd verkündet der 38-Jährige seinen Rücktritt aus der DFB-Auswahl. „Mit dem heutigen Tag endet meine Karriere bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.“
Nach der Heim-EM ohne Happy End verwirft der Ausnahme-Fußballer das Fernziel WM 2026 und wird künftig nur noch für den FC Bayern auflaufen. Im Nationalteam schlägt nun wohl nach vielen Jahren des Wartens die Stunde von Marc-André ter Stegen.
Adelung von Nagelsmann und Völler
Bundestrainer Julian Nagelsmann muss nach den Rücktritten von Toni Kroos, Thomas Müller und Ilkay Gündogan einen weiteren Auswahl-Veteran und wichtigen Pfeiler im Team ersetzen. „Auch wenn ich Manus Entscheidung und seine Beweggründe nachvollziehen kann, ist sein Abschied ein großer Verlust – sportlich und menschlich“, sagte Nagelmann in einer DFB-Mitteilung und adelte seinen bisherigen Schützling: „Manu hat das Torwartspiel geprägt wie kein anderer in der Geschichte des Fußballs.“
Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler meinte: „Im Torhüter-Land Deutschland ragt Manu unter vielen außergewöhnlichen Keepern noch einmal hervor, er hat mit seiner Art das Torhüterspiel revolutioniert.“
Verzicht auf WM 2026 trotz körperlich guter Verfassung
Am 2. Juni 2009 hatte Neuer sein DFB-Debüt gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (7:2) gegeben - und sei dabei „ultranervös“ gewesen. Acht große Turniere lang war Neuer danach die Nummer eins im deutschen Tor - die Krönung für ihn und eine ganze Fußballer-Generation war der WM-Triumph 2014 in Brasilien. Im Rückblick empfinde er Stolz und Dankbarkeit für die Zeit in der DFB-Auswahl, die er sieben Jahre lang als Kapitän anführte.
„Ich fühle mich körperlich sehr gut und natürlich hätte mich auch die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko sehr gereizt“, sagte Neuer in einer Mitteilung. Er sei gleichzeitig aber überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für den Rücktritt sei. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist.“ Das Aus im Viertelfinale der Heim-Europameisterschaft gegen Spanien durch ein 1:2 nach Verlängerung bleibt also Neuers letztes Pflichtspiel mit dem Adler auf der Brust.
Bedenkzeit nach EM-Aus
124 Länderspiele hat Neuer für Deutschland bestritten - insgesamt stand er 11.100 Minuten im DFB-Tor, das sind 185 Stunden oder 7,7 Tage. Über ein Jahrzehnt lang prägte er international mit seinen außergewöhnlichen Leistungen, seinem Können, seinen Reflexen und auch seiner Klasse weit vor der Torlinie das Torwartspiel. „Manuel Neuer ist schon während seiner aktiven Zeit eine der prägendsten Figuren der deutschen Fußball- und Sportgeschichte“, lobte Bayerns Sportchef Max Eberl.
Der gebürtige Gelsenkirchener hatte nach der EM die Entscheidung über seine Zukunft im DFB-Team zunächst offengelassen. „Ich habe gesagt, ich mache mir nach dem Turnier Gedanken“, äußerte der langjährige Kapitän unmittelbar nach dem EM-Aus. Zu Wochenbeginn gab es dann sogar Berichte, wonach Neuer weitermachen wolle. Doch er zog einen Schlussstrich. „Ich persönlich habe es geliebt, das Trikot der deutschen Nationalmannschaft zu tragen. Vielen Dank dafür“, sagte er in dem Video an die Fans und ehemaligen Wegbegleiter gerichtet.
„Manu wird uns fehlen“
Dabei hätte ihn das Ende seiner DFB- oder sogar Fußballer-Karriere schon vor eineinhalb Jahren ereilen können. Bei einem schweren Skiunfall zog er sich nach der WM 2022 in Katar einen komplizierten Unterschenkelbruch zu. „Was danach kam, war noch eine Zugabe für mich persönlich“, sagte Neuer. „Dass ich das noch mal geschafft habe, auf dem Rasen zu stehen bei einer Heim-Europameisterschaft, war die Krönung.“
Bundestrainer Nagelsmann hatte schon während der EM angekündigt, den DFB-Kader mit Blickrichtung WM 2026 verjüngen zu wollen. Neuer ist nach Kroos, der seine komplette Fußballer-Karriere im Alter von 34 Jahren beendete, und Müller der letzte Weltmeister von Rio, der aus der DFB-Auswahl ausscheidet. „Manu wird uns in der Nationalmannschaft fehlen“, sagte der Coach. Wie Müller will Neuer nun mit den Bayern nochmal nach den größten Titeln greifen - im Frühjahr 2025 steht das Champions-League-Finale in München an. Auch DFB-Kapitän Gündogan hatte jüngst seine DFB-Karriere beendet.
Nun ter Stegen endlich an der Reihe?
Als erster Anwärter auf die Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft gilt nun Neuers langjähriger Auswahl-Kollege und teaminterne Rivale ter Stegen (32). Der Profi vom FC Barcelona hatte sich schon Hoffnungen machen können auf die Rolle als Nummer eins bei der Heim-EM. Doch dann kam Neuer zurück - für seine finalen Auftritte im DFB-Dress.