Ausstellungen Neue Wege bei Suchtprävention: Schau mit Urin-Kunstwerk
Eine auch mit Bundesmitteln finanzierte Stiftung möchte neue Wege in der Suchtprävention gehen. Wie das aussehen kann, zeigt sie bei einer speziellen Ausstellung in Erfurt - mitsamt eines Glaskastens voller Pipi.
Erfurt - Noch in diesem Jahr hat die Stiftung Welt der Versuchungen einen Architekturwettbewerb für ihr geplantes Ausstellungshaus in Erfurt angekündigt. „Das Haus soll dann im Winter 2026/27 öffnen“, sagt die Vorständin und Chefkuratorin der Stiftung, Susanne Rockweiler. Nachhaltigkeit solle bei dem Bau berücksichtigt werden. In dem Haus will die Stiftung mit einer Mischung aus Kunst und Wissenschaft über Sucht und Suchtmittel aufklären und somit zum Schutz vor Sucht beitragen.
„Wir wollen das Thema Sucht enttabuisieren und entstigmatisieren“, so Rockweiler. Dabei geht es um alltägliche Suchtmittel wie Koffein, Nikotin und Alkohol, genauso wie um illegale Drogen, oder von Sucht geprägtes Verhalten. Den erhobenen Zeigefinger findet man nicht in der Ausstellung. Vielmehr sollen die Besucherinnen und Besucher angeregt werden, selbst Konsum und Verhalten auch auf gesellschaftlich akzeptierte Süchte zu hinterfragen. „Das ist effizienter“, meint Rockweiler.
Welche ungewöhnlichen Ansätze die Stiftung verfolgt, zeigt sich bei einer Ausstellung auf dem Petersberg in Erfurt. Bis zum 10. Dezember sind bei der Schau „On a Night Trip. Zwischen Glücksgefühlen und Konsumgefahren“ besondere teils eigens für die Ausstellung erarbeitete Kunstwerke zu sehen. Dabei wird erkundet, wie das Nachtleben zu Drogenkonsum und anderen Exzessen verführen kann.
Zu den 40 Exponaten gehört etwa ein mit 750 Liter Urin gefüllter Glaskasten der Künstlerin Sarah Ancelle Schönfeld. Der mit einer antibakteriellen Substanz versetzte Harn stamme von Partygästen aus dem bekannten Berliner Club Berghain, wo die Künstlerin zu Studienzeiten als Barkeeperin gearbeitet habe, so Rockweiler.
„Harn ist ein Instrument der Diagnostik und wird auf Grundlage von Abwasser auch zum Drogen-Monitoring genutzt“, sagt die Kuratorin. Im Urin stecke Information darüber, was gesellschaftlich los sei in Bezug auf Drogen. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht etwa greift auf Abwasseranalysen zurück, um die Drogenproblematik in der EU zu bewerten.
Auch ein Hammer mit einem an einen Stöckelschuhabsatz erinnernden Kopf von Nevin Aladag ist zu sehen. Er ergänzt eine ebenfalls von der Künstlerin stammenden Theke, deren Oberfläche wirkt, als sei wild mit Stilettos darauf getanzt worden. Zudem wirft die Schau einen wissenschaftlichen Blick darauf, wie Sucht entsteht und welche Rolle Glückshormone dabei spielen.
Ein nächstes Ausstellungsthema steht Rockweiler zufolge auch schon fest: Im kommenden Jahr will die Stiftung Soziale Medien im Internet unter die Lupe nehmen.
Für das künftige feste Ausstellungshaus gibt der Bund nach früheren Angaben 15 Millionen Euro. Bis Ende 2025 sind bislang mehr als zwei Millionen Euro aus dem Thüringer Gesundheitsministerium für das Projekt bewilligt worden. Ein Antrag auf Verlängerung der finanziellen Unterstützung werde aktuell bearbeitet, heißt es aus dem Ministerium. „Mit dem Haus „Welt der Versuchungen“ soll in Thüringen eine europaweit einzigartige Wissens- und Erlebniswelt entstehen, die das Thema Sucht interdisziplinär und zeitgemäß für eine breite Zielgruppe erlebbar macht“, sagte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke).